Ist das ein Laufbuch? Der Autorname lässt es vermuten: Scott Jurek ist einer der großen Ultraläufer. Aber Eat & Run – der Titel verrät es ja schon – dreht sich nicht nur ums Laufen. Im Gegenteil: Über weite Strecken geht es vor allem ums Essen. Nicht ohne Grund steht das im Titel vorne. Und zwar um das richtige Essen – nämlich die vegane Ernährung. Jurek schildert ausführlich seinen Weg von der „normalen“ amerikanischen Kost des mittleren Westens zur veganischen Ernährung. Das geschieht bei ihm vor allem aus (scheinbar) gesundheitlichen Gründen und weil er meint zu beobachten, dass er sich damit besser fühlt. Zugleich plagen ihn aber auch lange und immer wieder die Zweifel, ob er mit veganen Lebensmitteln ausgewogen, gesund und in allen Bereichen ausreichend genährt ist, um Ultras zu laufen.
Schade, dass das eigentliche Laufen dann so eine vergleichsweise kleine Rolle spielt. Sicher, die großen Ereignisse sind drin – etwa sein überraschender Sieg beim Western State 1999. Sein Kampf mit dem Badwater, mit dem der von Steve Friedman in eine angenhem lesbare, durchaus spannende und abwechslungsreiche Erzählung gebrachte Text einsetzt. Was mir aber oft fehlte: Was Jurek beim Laufen eigentlich erlebt, wie er das Laufen erlebt und wahrnimmt. Hier geht es dagegen oft um „Äußeres“ – sein Training, die Wettkämpfe, die Strecken auch mal, das aber schon recht oberflächlich oft.
Typisch für ein Laufbuch, gerade von Ultraläufern, ist aber ein wesentlicher Aspekt: Die permanente Überbietungslogik (hier aber gar nicht oder nur wenig reflektiert). Das muss immer noch etwas härter, noch etwas weiter, steiler, extremer und gefährlicher sein. Bei Jurek kommt noch hinzu: Mit immer mehr Handicap gelaufen – zum Beispiel wie den Hardrock 100 mit verletztem Knöchel -, also immer mehr Schaden an Leib und Seele in Kauf nehmend. Aber für „tough men“ ist das natürlich gar kein Problem, sondern eine Herausforderung. Viel weiter reicht der Horizont Jureks hier nicht – schade eigentlich. Schade auch, dass er sich auf’s Gewinnen beschränkt. Sein Scheitern spielt nur eine sehr kleine Rolle – die Aufgabe beim UTMB 2008 ist ihm etwas nur einen halben Satz wert und wird mit einer Verletzung entschuldigt. Das ist etwas paradox, weil er gerade zuvor seitenweise über seine heroische Großtat, den Hardrock 100 schon verletzt zu beginnen, schrieb. Aber es passt in den Eindruck, der sich bei mir immer mehr verstärkte: Es geht ihm hier nicht ums Laufen, sondern um das Gewinnen – also um das Besiegen anderer Läufer. Das passt nur wenig mit seiner gerne beschworenen Bescheidenheit zusammen – gerade wenn es in Sätzen gipfelt wie:
No one wants to win more than I do. (154)
Vernunft und Verstand darf man hier aber generell nicht zu viel erwarten.
Bei manchen Dingen reicht meine Geduld allerdings auch nicht: Zum Beispiel schreibt er lange und ausführlich über die Idee, mit möglichst kleinem „impact“ auf der Erde zu leben, also möglichst wenig bis gar keine Ressourcen zu verbrauchen. Nur um dann wenige Seiten später sich ganz selbstverständlich ins Flugzeug zu setzen, um ein paar Stunden zum nächsten Lauf zu fliegen, weil seine Motivation auf den „Hausrunden“ gerade im Keller ist. So etwas kapiere ich einfach nie …
Das klingt jetzt alles recht negativ – aber so richtig warm geworden bin ich mit Eat & Run eben nicht. Obwohl ich die Leistungen Jureks sehr schätze, blieb mir seine Haltung zum Laufen, wie sie sich hier zeigt, einfach fremd.
Scott Jurek with Steve Friedman: Eat & Run. My unlikely Journey to Ultramarathon Greatness. London u.a.: Bloomsbury 2012. 260 Seiten. ISBN 9781408833384