Übers Laufen und was sonst so draußen passiert.

Kategorie: Training (Seite 1 von 5)

Läuferblut

Beim täg­li­chen Lau­fen, das nicht nur auf den pla­nier­ten und asphal­tier­ten Wegen statt­fin­det, son­dern auch ein­mal quer­feld­ein, bleibt es nicht aus, dass der Läu­fer und beson­ders sei­ne Bei­ne auch mal enge­re Kon­tak­te mit dem umher­ste­hen­den Gestrüpp und Gewächs sucht und fin­det. Das kann mal ein biss­chen Bren­nen, wenn die Bren­nes­seln die nack­te Haut erwi­schen. Oder es kann rich­tig blu­tig wer­den, wenn ich die blatt­lo­se Brom­beer­ran­ke zu spät sehe und beim Aus­weich­ver­such in der mat­schi­gen Wei­de auch noch abrut­sche. Dann kommt man von einem klei­nen Weih­nachts­läuf­chen so nach Hau­se (und wird unter­wegs recht selt­sam ange­starrt …):

Das rechte Bein sieht etwas migtenommen aus

Das rech­te Bein sieht etwas mig­te­n­om­men aus

Auch das linke Knie hat etwas abbekommen

Auch das lin­ke Knie hat etwas abbe­kom­men

Noch eine Schramme am rechten Knöchel

Noch eine Schram­me am rech­ten Knö­chel

Und der noch fast neue Mini­mus Trail hat jetzt zur ordent­li­chen Ein­wei­hung nicht nur ein paar Matsch­fle­cken, son­dern wenigs­tens auch ein paar Blut­fle­cken bekom­men 😉 Und das am 25. Dezem­ber!

Kleine Erfolge

Lau­fen macht gleich noch mal so viel Spaß, wenn man schnel­ler als die ande­ren Läu­fer auf der Stre­cke ist – ein biss­chen zusätz­li­chen Ansporn gibt das wirk­lich jedes Mal, wenn ein „Opfer“ in die Nähe kommt und der Über­hol­vor­gang wahr­schein­lich und wahr­schein­li­cher wird – so lan­ge man nicht selbst über­holt wird. Beson­ders gut funk­tio­niert das, wenn man auf­grund eini­ger zusätz­li­cher Schlen­ker und Schlei­fen eine Stan­dard-Lauf­stre­cke wie die Main­zer Drei­brü­cken­run­de etwas ver­län­gert. Dann kann man die sel­ben Läu­fer näm­lich zwei- bis drei­mal über­ho­len (wenn man Glück hat und sich anstrengt 😉 …). Heu­te hat­te ich gleich zwei sol­che Kan­di­da­ten – und schwupps, war ich ein biss­chen schnel­ler unter­wegs als ich das vor­hat­te. Was ja im Moment nur gut sein kann. Aller­dings hat­te ich heu­te auch Glück, die schnell wir­ken­den Läu­fer lie­fen die Run­de heu­te offen­bar alle in der Gegen­rich­tung …

Mehr als Marathon: Das „Handbuch Ultralauf“

Da ist es also end­lich, das „Hand­buch Ultra­l­auf“ – dann soll­ten jetzt ja end­lich mal alle Fra­gen geklärt sein. Sie sind es natür­lich nicht, ganz im Gegen­teil. Und das ulti­ma­ti­ve Hand­buch erscheint auch noch in der Runner’s‑World-Reihe – ist Ultra­l­auf jetzt end­gül­tig Main­stream gewor­den? Nein, auch das nicht – das Hand­buch weist selbst auf die tlw. sta­gnie­ren­den, tlw. mini­mal stei­gen­den Zah­len der Läu­fer und Läu­fe­rin­nen hin.

Wolf­gang Olbrich, Sport­wart der DUV, ver­sucht sich hier also am Rund­um­schlag: Von der Geschich­te des Ultra­ma­ra­thon­laufs bis zu spe­zi­fi­schen Trai­nings­plä­nen ist über Trai­nings­grund­la­gen, Aus­rüs­tung, men­ta­les Trai­ning, Ernäh­rungs- und ortho­pä­di­sche Fra­gen so ziem­lich zu jedem „Pro­blem“ des Ultras hier etwas zu fin­den. So rich­tig begeis­tern konn­te mich das Buch aber trotz­dem nicht.

Das fängt schon am Anfang an: Die ers­ten 36 Sei­ten (kein unbe­trächt­li­cher Teil des Umfangs also) sind eigent­lich ver­schenkt. Da wird aus­führ­lich die Situa­ti­on der Ver­bän­de (inklu­si­ve ihrer Komit­tees und deren Vor­sit­zen­den) und der Meis­ter­schaf­ten auf natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Ebe­ne refe­riert – ist das wirk­lich nötig? Die DUV wird (natür­lich) sehr pro­mi­nent dar­ge­stellt (inklu­si­ve der „inter­nen Strei­tig­kei­ten“ … – den VFUM hät­te man, bei aller Anti­pa­thie, hier durch­aus auch mal erwäh­nen kön­nen). Auch die rest­li­chen Ver­bän­de wie DLV und IAU bekom­men viel Raum. Und das gleich am Anfang, direkt nach eini­gen kur­so­ri­schen Bemer­kun­gen zur Geschich­te des Ultra­l­aufs.1

Das Fazit nach dem ers­ten Fünf­tel also: Wenig hilf­reich bis­her. Doch dann geht’s los: Kapi­tel 6–8 zei­gen die Trai­nings­grund­la­gen für den Ultra­l­auf. Hier beschreibt Olbrich dann doch wie­der erst ein­mal die übli­chen Trai­nings­for­men – exten­si­ve und inten­si­ve Dau­er­läu­fe, Inter­val­le, Fahrt­spie­le … -, aber wenigs­tens schön knapp, obwohl er mehr­mals dar­auf hin­weist, dass er genau das eigent­lich vor­aus­setzt (zusam­men mit mehr­jäh­ri­ger Mara­thon­erfah­rung). Vor allem tut er es aber mit spe­zi­el­ler Berück­sich­ti­gung der lan­gen Distan­zen und geht auch auf Aus­gleichs­trai­nings (Deh­nen, Kräf­ti­gungs­übun­gen) und Lauf-ABC jeweils knapp ein.

Dem fol­gen kur­ze (wirk­lich aus­führ­lich ist in dem Hand­buch eben nichts) Kapi­tel zur Ernäh­rung (Olaf Hüls­mann), zu Pro­ble­men des Magen-Darm-Trakts beim lan­gen Lau­fen (Ste­fan Hin­ze), zu ortho­pä­di­schen Aspek­te der lan­gen Belas­tung (Diet­mar Göbel), zu men­ta­len Aspek­ten des Ultras und schließ­lich noch 25 Sei­ten Trai­nings­plä­ne (50km, 100km, 24h, Etap­pen­läu­fe).

Die abschlie­ßen­den 12 Sei­ten zur „Aus­rüs­tung“ waren wohl Pflicht für die Spon­so­ren,2 sind für den Läu­fer aber eher unnö­tig – schließ­lich ist das Hand­buch laut Ein­lei­tung doch aus­drück­lich für Ath­le­ten gedacht, die „bereits seit meh­re­ren Jah­ren im Lauf­be­reich trai­nie­ren“ (11) – was ja auch sinn­voll ist, bevor man den ers­ten Ultra angeht. Genau die­se Sport­ler wis­sen aber doch schon, was man beim Lau­fen anziehn soll­te, das es Puls­mes­ser und GPS-Uhren gibt …

Ganz zum Schluss kommt noch ein kur­zer Lite­ra­tur-Anhang mit sehr aus­g­wähl­ten Titeln: (Basis-)Literatur zum Lau­fen all­ge­mein und zur Trai­nings­leh­re fehlt kom­plett (obwohl z.B. beim Noa­kes doch auch was zum Ultra­l­auf drin steht), die Lis­te führt fast aus­schließ­lich medi­zi­ni­sche (gas­tro-ente­ro­lo­gi­sche und ortho­pä­di­sche, auch psy­cho­lo­gi­sche) Untersuchungen/​Artikel an.3

Also: Den Titel „Hand­buch“ hal­te ich für etwas über­trie­ben, sowohl hin­sicht­lich des Inhalts als auch des Umfangs von 192 sei­ten (inkl. ver­schie­de­ner Lauf­be­rich­te, die mir teil­wei­se schon bekannt vor­ka­men, aus der UM oder den ent­spre­chen­den Inter­net­quel­len?, und kur­zen Läu­fer­por­träts, die aber sehr sche­ma­tisch gera­ten sind und die Per­so­nen kaum vor­stel­len. Es blei­ben dabei 180 Sei­ten eigent­li­cher Text der Kapi­tel 1–18 (mit vie­len, nicht immer aus­sa­ge­kräf­ti­gen Fotos). Wenn man die Ver­an­stal­tungs­be­rich­te und Por­träts raus­nimmt, sind es noch 136 Sei­ten, davon aber auch 25 Sei­ten Defin­in­ti­on, Ultra-Geschich­te, die Dar­stel­lung der Ver­bän­de, Meis­ter­schaf­ten und gro­ßer Ver­an­stal­tun­gen (kurz beschrie­ben wer­den: Com­ra­des, Biel, Bad­wa­ter, Spar­t­ath­lon, Rod­gau, Kien­baum und Renn­steig) – letzt­lich blei­ben also nur noch gut 100 Sei­ten für den eigent­li­chen Inhalt übrig – kein Wun­der, dass mir vie­les etwas ober­fläch­lich dar­ge­stellt schien.

Ohne Zwei­fel wer­den alle wich­ti­gen Aspek­te abge­han­delt, aber zum Teil eben nur beschrei­bend, ohne ver­nünf­ti­ge, d.h. wirk­lich hel­fen­de Hand­lungs­emp­feh­lun­gen (ins­be­son­de­re im Bereicht der Ernäh­rung und Ver­dau­ung), zum Teil auch ein­fach nur sehr abs­trakt und wenig kon­kret.

Das Pro­blem, wes­we­gen das Hand­buch mir so unbe­frie­di­gend scheint, ist wohl fol­gen­des: Ers­tens ist Vie­les, gera­de das grund­le­gen­de Wis­sen, in den gro­ßen Büchern zum (Marathon-)Laufen auch schon in den ver­schie­dens­ten Aus­prä­gung aus­rei­chend erklärt und beschrie­ben. Und zwei­tens gibt es zum Ultra­l­auf kei­ne bzw. nur weni­ge wirk­lich all­ge­mein gel­ten­den Ver­fah­rens­wei­sen, was die Aus­ge­stal­tung des Trai­nings im Detail z.B. betrifft, oder was die Ernäh­rung wäh­rend des Wett­kamp­fes angeht – und das muss Olbrich, der ja ohne Zwei­fel Ahnung und aus­rei­chen­de Erfah­rung hat und auch vie­le Läu­fer und Ver­an­stal­tun­gen gut kennt, eben immer wie­der kon­sta­tie­ren. Mich hat das ein wenig unbe­frie­digt hin­ter­las­sen, bei der Lek­tü­re.

Dazu kommt noch (wie­der ein­mal) ein unzu­rei­chen­des Lek­to­rat – sprach­lich mit­tel­mä­ßig, wech­selt der Text z.B. zwi­schen Duzen und Sie­zen, Satz­feh­ler etc. – das ärgert mich immer ein biss­chen. Das geht schon damit los, dass Umschlag und Titel sich nicht einig sind, wie das Buch über­haupt heißt. Und das setzt sich im Text eben fort­wäh­rend fort. Das ist für Hob­by­pu­bli­ka­tio­nen o.k., ent­spricht aber nicht mei­nem Anspruch an offi­zi­el­le Ver­lags­ver­öf­fent­lich­tun­gen.

Viel Geme­cker also hier. Trotz­dem für den Ein­stei­ger sicher­lich nett und hilf­reich. Es geht aber eben auch bes­ser – behaup­te (und den­ke) ich. Ich ver­mu­te, es war den Autoren ein­fach nicht klar genug, was das werden/​sein soll: Ein Hand­buch für Ultra­l­äu­fer? Für am Ultra­ma­ra­thon Inter­es­sier­te? Soll es den Ultra­l­auf populär(er) machen oder dem Ultra­l­äu­fer, ob Anfän­ger oder Fort­ge­schrit­te­ner, als Nach­schla­ge­werk zur Sei­te ste­hen? Es will dann irgen­de­wie alles – und schafft dann nichts rich­tig befrie­di­gend.

Wolf­gang Olbrich: Hand­buch Ultra­l­auf [Mehr als Mara­thon! Trai­nings­plä­ne für 50 Km und mehr, Men­tal­trai­ning, Ernäh­rungs­tipps]. Aachen: Mey­er & Mey­er 2011 (Runner’s World). 192 Sei­ten. ISBN 978−3−89899−657−0. 19,95 Euro.

  1. Die­se Geschich­te müss­te man wohl eigent­lich noch/​mal schrei­ben, aus Sicht des His­to­ri­kers ist das alles sehr unbe­frie­di­gend. Denn in der Geschichts­wis­sen­schaft pas­siert da ja durch­aus eini­ges, v.a. im Bereich der Kör­per­ge­schich­te und der Kul­tur­ge­schich­te über­haupt, was hier hin­pas­sen könn­te. Aber das nur so neben­bei.
  2. Das ist ja eine ech­te Unsit­te der Sport­bü­cher, gera­de im Bereich Aus­rüs­tung, so etwas immer wie­der her­an­zu­zie­hen – das ärgert mich immer wie­der. Das „Hand­buch Ultra­l­auf“ ist, wie vie­le ande­re solch Bücher, trotz­dem nicht bil­lig, zudem auch noch mit „Runner’s World“-Kooperation (die sind ja auch kein Fach­blatt für Ultra­di­stan­zen …) – muss die­se Wer­bung für Polar (die angeb­lich das bes­te Com­pu­ter­pro­gramm zur Aus­wer­tung haben – Sport­Tracks als Alter­na­ti­ve wird nicht ein­mal erwähnt) und Gore wirk­lich sein?
  3. Und den kurio­sen Ein­trag „Wiki­pe­dia“ fin­det man noch. Unge­nau­er geht es ja eigent­lich nicht mehr – Was und Wann war das denn, in wel­cher Sprach­ver­si­on?, da fehlt wirk­lich nur noch die Quel­len­an­ga­be „Inter­net“.

Poulin/​Swartz/​Flaxel: Trail Running. From Novice to Master

Einen viel­ver­spre­chen­den Titel trägt das Buch von Kirs­ten Poulin, Stan Swartz und Chris­ti­na Flaxel: From Novice to Mas­ter. Wenn das auf den 175 Sei­ten gelingt, wäre das ja schon viel … Natür­lich ist es nicht ganz so ein­fach, Lau­fen muss man eben immer auch trai­nie­ren, unab­hän­gig vom Unter­grund und der Umge­bung. Das ver­schweigt das Autoren­trio (immer­hin zwei Frau­en!) auch nie. Denn die­ses ame­ri­ka­ni­sche „Lehr­buch“ ist sehr gewis­sen­haft und gründ­lich. Der Rund­um­schlag ums Trail­run­ning umfasst hier:

  • Intro­duc­tion to Trail Run­ning
  • Plan­ning a Run
  • Trai­ning, Con­di­tio­ning, and Pre­pa­ra­ti­on
  • Reco­very
  • Envi­ron­men­tal Fac­tors, Navi­ga­ti­on, and Safe­ty
  • Inju­ry Pre­ven­ti­on and Tre­at­ment
  • Bri­ning it tot the Next Level: Ultrarun­ning

Dies­ser Blick ins Inhalts­ver­zeich­nis zeigt, den­ke ich, auch sehr gut die Aus­rich­tung die­ses Buches. Hier geht es nicht um tol­le Läu­fe, um Lauf­erleb­nis­se oder Wett­kampf­erfah­run­gen. Son­dern, wenn man so will, um die Basics, die das alles erst über­haupt mög­lich machen.

Lei­der war das Buch wohl etwas zu früh für den momen­ta­nen Trail-Boom. Und lei­der, lei­der ist es auch nur mit schwarz­weiß-Pho­tos (aber durch­aus guten) ver­se­hen – scha­de. Recht aus­führ­lich ist es in jedem Fall. Vor allem, was die Aus­rüs­tung, auch für extre­me­re Läu­fe, angeht. Ein­ge­hend berück­sich­tigt wird etwa der Son­nen­schutz, der Ein­fluss von viel Wind, aber auch das Lau­fe im Schnee. Und wie in jedem Lauf­buch auch ein kur­zer Trai­nings­leit­fa­den. Nicht feh­len darf beim Trail natür­lich die Lauf­tech­nik, wobei die Autoren sich hier etwas zurück­hal­ten und eher all­ge­mei­ne Rat­schlä­ge geben. Das Berg­auf- und Berg­ab-Lau­fen wird aber aus­führ­lich gewür­digt. Und auch das Fal­len: „A fall is an ine­vi­ta­ble part of trail run­ning.“ (72) – sehr schön.
Erstaun­lich viel steht hier dann auch zum Deh­nen und zur Ernäh­rung vor, wäh­rend und nach dem Lauf.

Und etwas schlägt die ame­ri­ka­ni­sche Per­spek­ti­ve schon durch. Nicht nur bei der Flo­ra und Fau­na, son­dern z. B. auch beim Umgang des Läu­fers mit Wegen und der Angst vor Ero­si­on – in „mei­nen“ Lauf­re­vie­ren ist das eher weni­ger ein Pro­blem. Und wenn dann, ein durch die Bewirt­schaf­tung und nicht durch die Läu­fer veur­sach­tes. Über­haupt bemü­hen sich die drei Autorin­nen sehr um einen ver­ant­wor­tungs­vol­len Umgang mit der Natur. Wie­der­holt wird dar­auf hin­ge­wie­sen, nichts mit­zu­neh­men (außer Pho­tos) und nichts zu hin­ter­las­sen (außer Fuß­spu­ren):

Always lea­ve a natu­ral envi­ron­ment as you found it, and mini­mi­ze your impact. Take only pho­to­graphs and enjoya­ble memo­ries of your run. Lea­ve only footpring­ts. Never lit­ter. Pack it in, pack it out, which means that any mate­ri­als you bring in should lea­ve with you. (104)

Der schöns­te Tipp aber:

If you cop­me across mud pudd­les, snow patches, or wet spots, careful­ly run through them, not around them. Also, jump or step over any fal­len trees. Run­ning around them can cau­se trails to widen, incre­asing soil and vege­ta­ti­on dama­ge. (104)

Ins­ge­samt: sehr durch­dacht und über­legt, mit dem kla­ren Ziel des kon­trol­lier­ten, risi­ko-mini­mier­ten und Erleb­nis-maxi­mier­ten Trail-Laufs.

Kirs­ten Poulin, Stan Swartz, Chris­ti­na Flaxel: Trail Run­ning. From Novice to Mas­ter. Fore­word by Mark Bur­nett. Seat­tle: The Moun­tai­neers Books 2002. 175 Sei­ten. ISBN 0−89886−840−8.

Laufwoche #41

Ach, wie herr­lich kann doch das Lau­fen sein! Die­se Woche hat mal fast alles gepasst und geklappt: Von Mon­tag bis Don­ners­tag noch strah­len­der Son­nen­schein bei mil­den herbst­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren, Frei­tag war es dann aller­dings sehr trüb, eine rich­ti­ge Unter­gangs­stim­mung durch die tief­lie­gen­den Wol­ken. Und der Rhein hat­te eine ganz selt­sa­me und sel­te­ne Far­be, in Mischung aus Blau und hel­lem Grün (sonst ist er ja meist eher grau bzw. braun) – doch immer­hin kam kaum Was­ser von oben. Sams­tag aller­dings durch­aus, das war sehr feucht, neb­lig und immer wie­der reg­ne­risch. Und zum ers­ten Mal auch kalt.

Und vor allem habe ich mal wie­der einen ordent­li­chen Trai­nings­fort­schritt gespürt: Alle Trai­nings waren bes­ser als die Vor­ga­be von Vic­sys­tem. Schon die Inter­val­le am Mon­tag (5x1600m) lie­fen, trotz eher stei­fer Bei­ne am Mor­gen, aus­ge­zeich­net.
Und der Lauf am Mitt­woch, wett­kampf­spe­zi­fi­sches Tem­po, war rich­tig geni­al: 13,1 km @ 4:22 (statt 12,8 km @ 4:39). Am bes­ten – trotz des mäßi­gen Wet­ters, das die Hür­de zum Los­lau­fen ziem­lich hoch leg­te – war aber der lan­ge Lauf am Sams­tag: Knapp 32 Kilo­me­ter im 5:16er Tem­po. Der Plan sah 5:21 vor – aller­dings auf ebe­ner Stre­cke. Und was ich von Erbach aus gelau­fen bin, war eher sel­ten eben: Über den Buch­wald­s­kopf und Zir­kel­berg mei­ne Stan­dard­stre­cke nach Bull­au, dort aber kurz vor dem Ort nach Geb­hardtshüt­te abge­bo­gen und auf dem Wan­der­weg am Kräh­berg vor­bei zum Reu­ßen­kreuz. Da hat­te ich gut 18 Kilo­me­ter hin­ter mir – und das Tem­po stand, obwohl es viel berg­auf ging, schon bei 5:26. Das war natür­lich schon etwas schnell, eigent­lich ver­su­che ich ja bei den lan­gen Läu­fen ein Cre­scen­do, dass unter die­sen Umstän­den nicht so ganz gut funk­tio­niert. Über den Fahr­rad­weg bin ich dann – auf der ande­ren Sei­te des Kräh­bergs – nach Bull­au, übers Bullau­er Bild hin­un­ter zum Zir­kel­berg und mit einer Schlei­fe um den Ruhe­forst wie­der über den Buch­wald­s­kopf zurück – und dann stand das Tem­po bei 5:16. Ein­fach geni­al. Obwohl es in Bull­au sehr unan­ge­nehm war – aus­ge­rech­net da, wo ich mal ein Stück übers freie Feld muss (der Rest ist fast voll­stän­dig im Wald) fing es rich­tig unan­ge­nehm dicht an zu reg­nen. Zusam­men mit dem Wind war des unan­ge­nehm kalt … So rich­tig freund­lich war das Wet­ter unter­wegs nie, begeg­net bin ich genau zwei Leu­ten – einem mit Hund und einem ande­ren Läu­fer. Die Höhen­me­ter sehen beein­dru­ckend aus:

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Das lief zwar wun­der­bar. Aber heu­te mer­ke ich die Ober­schen­kel doch ganz schön – Mus­kel­ka­ter hat­te ich schon lan­ge nicht mehr … Immer­hin hat es aber auch wie­der für 16 Kilo­me­ter @ 5:26 gereicht – nicht aus­ge­spro­che­ne Erho­lung, da waren auch schon wie­der knapp 300 Höhen­me­ter drin. Aber mal sehen, wie mor­gen die 2000er-Inter­val­le gehen – momen­tan kann ich’s mir nicht so recht vor­stel­len …

Optimiertes Laufen

Der Unter­ti­tel sagt alles: „Medi­zi­ni­sche Tips zur bio­lo­gi­schen Leis­tungs­ver­bes­se­rung“. Im Kern geht es hier also um alles, was beim Lau­fen betei­ligt ist: Kno­chen, Bän­der, Mus­keln, von den Zehen bis zur Wir­bel­säu­le. Das alles wird – medi­zi­nisch – vorg­stellt und erläu­tert in Teil II: „Ana­to­mie und Bio­me­cha­nik des Lau­fens“. Teil III behan­delt dann „Feh­ler“ in die­sem Sys­tem unter der Über­schrift „Leis­tungs­li­mi­tie­ren­de bio­lo­gi­sche Gege­ben­hei­ten“ – sol­che Din­ge wie Fuß­fehl­stel­lun­gen, ver­küzr­te Mus­keln etc. wer­den hier abge­han­delt. Teil IV ist dann noch inter­es­san­ter für den akti­ven Läu­fer: „Häu­figs­te Über­las­tungs­pro­ble­me mit Check­lis­te zur Selbst­er­kennt­nis“. Teil V schließ­lich behan­delt im letz­ten Drit­tel die eigent­li­che Leis­tungs­op­ti­mie­rung – das reicht von den Lauf­schu­hen über die Ther­mo­re­gu­la­ti­on (sehr aus­führ­lich) bis hin zur „Trai­nings­steue­rung nach bio­lo­gischm Para­me­ter“, die dann erstaun­lich knapp aus­fällt. Über­haupt ist die­ses Buch nicht nur stark auf so etwas wie „Selbst­be­hand­lung“ oder „Selbst­er­fah­rung“ des Kör­pers aus­ge­legt, son­dern vor allem sehr knapp und über­sicht­lich – eher zum Nach­schla­gen als zum Lesen. Und eher für den medi­zi­nisch-tech­ni­schen Teil des Lau­fens zu gebrau­chen als für eine wirk­li­che Trai­nings­steue­rung – das bleibt sehr obe­fläch­lich und all­ge­mein. Für Besit­zer der „Lore of Run­ning“ kein unbe­dingt not­wen­di­ges Buch …

Božo Petra­cić, Franz Joa­chim Rött­ger­mann, Kurt-Chris­ti­an Traenck­ner: Opti­mier­tes Lau­fen. Medi­zi­ni­sche Tips zur bio­lo­gi­schen Leis­tungs­ver­bes­se­rung. 3. Auf­la­ge. Aachen: Mey­er und Mey­er 2000. 139 Sei­ten. ISBN 3−89124−390−1.

Dem Geheimnis des Laufens auf der Spur: Eine Psychologie des Laufens

Bücher über das Lau­fen gibt es hau­fen­wei­se. Fast alle beschrän­ken sich aber auf psy­cho­lo­gi­sches und das gan­ze drum­her­umg wie Aus­rüs­tung, Trai­ning, Wett­kampf. Arbei­ten zu einer ori­gi­nä­ren Psy­cho­lo­gie des Lau­fens, die über die Beschrei­bung oder Samm­lung von schö­nen Geschich­ten zum runner’s high hin­aus­ge­hen, sind dabei eher sel­ten zu fin­den. Immer wie­der taucht aber ein Titel auf: Andre­as M. Mar­lo­vits Buch „Lauf-Psy­cho­lo­gie. Dem Geheim­nis des Lau­fens auf der Spur“. In Biblio­the­ken aber trotz­dem sehr sel­ten zu fin­den – dank Book­loo­ker kam ich aber den­noch recht güns­tig an ein Exem­plar, das extra den wei­ten Weg aus der Schweiz zu mir mach­te.

Wor­um geht es Mar­lo­vits? Eben nicht nur um die angeb­li­che (er zwei­felt da offen­bar, ohne das aber wei­ter zu ver­fol­gen, weil es nicht sein eigent­li­ches The­ma ist) Aus­schüt­tung von kör­per­ei­ge­nem Endor­phin als „Glücks­hor­mon“ beim Lau­fen, son­dern um eine ori­gi­när psy­cho­lo­gi­sche Betrach­tung des Lau­fens als reich­lich mono­to­nem Sport mit aus­ge­spro­chen gleichmä0igem, lan­ge Zeit gleich­blei­ben­den Bewe­gungs­ab­lauf. Und die psy­cho­lo­gi­schen Fol­gen des fort­ge­setz­ten Dau­er­lau­fes. Denn er geht davon aus: „Wenn das Lau­fen nicht psy­chisch wirk­sam wer­den wür­de, dann wäre es längst nicht so popu­lär.“ (16) Für sei­ne Unter­su­chung die­ser Wirk­sam­keit bedient er sich zunächst der Lite­ra­tur­um­schau, vor allem Tie­fen-Inter­views mit 100 Läu­fern.

Weit aus­ho­lend fängt er an, beleuch­tet – inge­samt aber eher knapp und in der Über­sicht – das Lau­fen in ver­schie­de­nen Kul­tu­ren, die kul­ti­sche und kul­tu­rel­le Bedeu­tung des Lau­fens ind er Geschich­te und beginnt dazu selbst­ver­ständ­lich in der Anti­ke, d.h. in Grie­chen­land – inkl. Phil­ip­pi­des, dem „Marathon“-Läufer – und macht dann einen gro­ßen Sprung in die Moder­ne, um sich vor allem der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts in meh­re­ren Deka­den näher zu wid­men. Wirk­lich viel kommt dabei aber nicht her­um, denn:

Die Ergeb­nis­se aus mehr als 40 Jah­ren Lauf­for­schung machen deut­lich, wie frag­men­ta­risch sich die Erkennt­nis­la­ge zum Lau­fen und sei­ner wohl­tu­en­den Wir­kung bis­lang dar­stellt. Weder die immer wie­der auf­ge­wärm­te The­se von der Suche nach dem Endor­phin-Kick noch Über­le­gun­gen, dass dem Läu­fer eine bestimm­te Per­sön­lich­keits­struk­tur zuzu­schrei­ben sei (Intro­ver­tiert­heit), noch Über­le­gun­gen, dass das Lau­fen anti­de­pres­siv oder Stress redu­zie­rend wirkt, lie­ßen sich bis heu­te ein­deu­tig wis­sen­schaft­lich bestä­ti­gen. (56)

Dann geht es näher zum Kern, um das Lau­fen. Das heißt, zunächst um den Anfang, den Beginn des Lau­fens, der Auf­nah­me des Dau­er­lau­fens in den Lebens­voll­zug des moder­nen Men­schen, der sich deut­lich von dem frü­he­rer Epo­chen unter­schei­det, weil er ande­ren Not­wen­dig­kei­ten unter­liegt: „Es geht also um mehr oder weni­ger wich­ti­ge Din­ge des per­sön­li­chen Lebens. […] Es scheint, als hät­te sich das Lau­fen der heu­ti­gen Zeit sei­ner exis­ten­ti­ell-kul­tu­rel­len Fuk­tio­na­li­tät ent­le­digt. Vor­herr­schend ist die Not des Indi­vi­du­ums, die ihn zum Lau­fen bewegt.“ (30) Und genau­er: „Vom Lau­fen […]erwar­tet man eine per­sön­lich [sic!] Berei­che­rung im Sin­ne einer heil­sa­men Wir­kung, die sich spür­bar, am bes­ten psy­cho­lo­gisch spür­bar, mani­fes­tie­ren soll­te.“ (32) Des­halb kommt Mar­lo­vits zu dem Schluss: „Die Dop­pel­wir­kung von Ent­span­nung und Akti­vie­rung ist dem moder­nen Men­schen Lauf­mo­tiv genug.“ (32)

Die Grün­de des Lau­fens kön­nen für ihn dabei immer auf zwei (ganz all­ge­mei­ne) Moti­ve bzw. deren Wahr­neh­mung und Pro­ble­ma­ti­sie­rung zurück­ge­führt wer­den, auf Sta­gna­ti­on oder Hyper­mo­bi­li­tät: „Wir behaup­ten also, dass sämt­li­che Beweg­grün­de zum Lau­fen auf die­ser Grund­span­nung ver­or­tet wer­den kön­nen.“ (40) Aus­ge­hend von die­ser Dia­gno­se, dass das Lau­fen also als ein Art Gegen­mit­tel für die­se zwei defi­zi­tä­ren Zustän­de des moder­nen Men­schen ange­gan­gen wird, kann er fest­stel­len:

Das Lau­fen erscheint also als eine Art hei­len­des Lösungs­mit­tel für seel­si­che Pro­blem­zu­stän­de, die zum einen aus Ver­läu­fen des per­sön­li­chen Lebens, zum ande­ren aber auch aus jenen der gesamt­kul­tu­rel­len Ent­wick­lung resul­tie­ren kön­nen. (42)

Dar­auf besteht er immer wie­der: Dass das Lau­fen nicht nur ein indi­vi­du­el­les Phä­no­men sei, son­dern auch Teil einer Kul­tur (aber gera­de die zwei­te Sei­te bleibt im wei­te­ren dann doch sehr blass …). Wesent­lich ist auf jeden Fall der Zusam­men­hang zwi­schen Leben und Lau­fen, den Mar­lo­vits immer wie­der beob­ach­tet: Lau­fen als so etwas wie eine Bewäl­ti­gungs- oder Ver­ar­bei­tungs­stra­te­gier für das „Leben“ (was ja nur teil­wei­se logisch ist, denn Lau­fen ist ja auch wie­der Teil des Lebens – aber das soll hier nicht wei­ter stö­ren): „Die Ten­denz, das Lau­fen in einen engen Zusam­men­hang zum eige­nen Lebens-Lauf zu brin­gen, ist bereits ein ers­ter Begrün­dungs­zu­sam­men­hang dazu, war­um wir davon aus­ge­hen, dass in der uns so selbst­ver­ständ­li­chen Bewe­gung des Lau­fens eine gehö­ri­ge Por­ti­on Psy­cho­lo­gie steckt.“ (68) Und zwar in die­sem Sin­ne:

Lau­fen formt das See­len­le­ben in einer ganz spe­zi­fi­schen, sei­ner Wir­kung ent­spre­chen­den Form um. Die­se Umfor­mung geschieht bei allen Men­schen in die glei­che Rich­tung. […] Jeder Lauf ist der Ver­such, so wie mög­lich eine see­li­sche Umfor­mung vor­an­zu­trei­ben, denn je wei­ter sie vor­an­ge­schrit­ten ist, umso inten­si­ver wird die wohl­tu­en­de Wir­kung des Lau­fens für den Ein­zel­nen spür­bar. (71)

Und dann gehts ans Eigent­li­che: Wel­chen Effekt hat aus­dau­ern­des Lau­fen auf die Psy­che des Läu­fers denn nun genau? Wel­cher Art ist denn nun die­se „Umfor­mung“? (Die umge­kehr­te Wir­k­rich­tung, näm­lich den Ein­fluss der Psy­che auf das Lau­fen, der eine „Lauf-Psy­cho­lo­gie“ erst kom­plett machen wür­de, betrach­tet Mar­lo­vits lei­der über­haupt nicht. Dabei hät­te gera­de das mich beson­ders inter­es­siert. Genau­so fehlt eigent­lich voll­kom­men eine Betrach­tung des Lau­fens als Sport in psych­lo­gi­sche Hin­sicht.)

Wor­in liegt also Wir­kung, die „psy­chi­sche Modu­la­ti­on des Aus­gangs­zu­stan­des“ (75)?: Da ist zunächst etwa die „nivel­lie­ren­de Kraft“ des Lau­fens: „Damit ist gemeint, dass sich wäh­rend des Lau­fens eine see­li­sche Ten­denz breit zu machen beginnt, die sämt­li­che erleb­ten Unter­schie­de und Dif­fe­ren­zen vom Läu­fer zur Welt hin aus­zu­glei­chen beginnt.“ (82) – „Der Rhyth­mus […] ist die zen­tra­le Metho­de, mit der die Dif­fe­renz und Gegen­über­ge­stellt­heit von Ich und Welt ange­gan­gen wird.“ (97)

Das wesent­li­che psy­cho­lo­gi­sche (d.h. the­ra­pie­ren­des) Moment des Lau­fens ist für Mar­lo­vits aber ein ande­res: Sei­ne Ähn­lich­keit mit dem (Tag-)Träumen und der dort gesche­hen­den Ver-/Be­ar­bei­tung des Uner­le­dig­ten des Lebens: „Der Herr­schaft der Traum­me­cha­nis­men im Lauf ist es auch zu ver­dan­ken, dass sich plötz­lich uner­war­te­te Löun­gen für Pro­ble­me des All­tags ein­stel­len.“ (107) Oder, wie es etwas spä­ter heißt: „das Lau­fen schafft Bedin­gun­gen in der GEsamt­or­ga­ni­sa­ti­on ‚Mensch‘, in der drü­cken­de The­men und Pro­ble­me einer kör­per­li­che-psy­chi­schen Bear­bei­tung über­las­sen wer­den.“ (129). Und die Pas­si­vi­tät, das Über­las­sen oder Über­ant­wor­ten der „Pro­ble­me“ an das „Es“, ist für in die­ser Hin­sicht erfolg­rei­ches Lau­fen die ent­schei­den­de Grund­be­din­gung.

Aus die­ser Per­spek­ti­ve ist der „inne­re Schwei­ne­hund“ des Läu­fers dann kein Ener­gie­spar­trick oder Faul­heits­an­fall des geschun­de­nen Kör­pers mehr, son­dern etwas ande­res:

Der Läu­fer scheut sich, die kul­ti­vier­te All­tags­ver­fas­sung des Ver­fü­gen-Kön­nens zuguns­ten der traum­ana­lo­gen Form der Lauf­ver­fas­sung ein­zu­tau­schen. Was man also zu ver­mei­den sucht, ist weni­ger die Müh­sal des Lau­fens selbst, als der de-kul­ti­vie­ren­de Auf­wand der See­len­mo­du­la­ti­on durch das Lau­fen. (110)

Die­se Stel­le ist in gewis­ser Wei­se typisch für Mar­lo­vits: Deut­lich wird hier nicht nur sei­ne Metho­de, son­dern vor allem deren Ein­sei­tig­keit. Denn, davon bin ich über­zeugt, sowohl die rein kör­per­li­che als auch die rein psy­chi­sche Erklä­rung des inne­ren Schwei­ne­hun­des ste­hen nicht allein, son­dern wir­ken zusam­men. Gera­de die­se Mischung von phy­sio­lo­gi­schen und psy­cho­lo­gi­schen Aspek­ten des Lau­fens igno­riert Mar­lo­vits aber, ja, er ver­neint sie sogar.

Es blei­ben mir also nach der Lek­tü­re die­se Büch­leins eini­ge Fra­gen. Doch das, was Mar­lo­vits aus­ge­ar­bei­tet hat, scheint mir durch­aus zutref­fend zu sein. Nur viel­leicht nicht so soli­tär und abso­lut, wie er es hier dar­stellt. Metho­disch ist die „Lauf-Psy­cho­lo­gie“ für mich als Psy­cho­lo­gie-Lai­en nur halb über­zeu­gend – die Lite­ra­tur­re­cher­che scheint mir eher ober­fläch­lich, ihre Dar­le­gung unge­nau, das Lite­ra­tur­ver­zeich­nis ist feh­ler­haft. Vor allem aber fra­ge ich mich, wofür Mar­lo­vits 100 Inter­views geführt hat – aus­ge­wer­tet wird für das Buch prak­tisch nur ein ein­zi­ges. Die ande­ren geben ihm nur irgend­wie eine Art Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on – da hät­te ich mir doch ger­ne mehr Details und inten­si­ve­re Beschäf­ti­gung bzw. Dar­le­gung der ande­ren Inter­views und ihrer Aus­sa­gen gewünscht. Aber immer­hin, es ist ein durch­aus inter­es­san­ter Vor­stoß in eine Lücke der Lauf­li­te­ra­tur.

Andre­as M. Mar­lo­vits: Lauf-Psy­cho­lo­gie. Dem Geheim­nis des Lau­fens auf der Spur. Mit 29 Zeich­nun­gen von Rolf Jahn. 3. Auf­la­ge. Regens­burg: LAS 2006. 192 Sei­ten. ISBN 978−3−89787−167−0.

Ein bisschen Stolz

Zwei Jah­re täg­lich gelau­fen: 730 mal jeden Tag die Lauf­schu­he geschnürt, meis­tens auch den Forerun­ner ange­wor­fen und hin­aus ins Freie getrabt. Eini­ge Schu­he sind dabei auf der Stre­cke geblie­ben, Socken auch ein paar, selbst die ers­te Lauf­ho­se fängt an zu schwä­cheln (aber die ist schon älter als die­ser Streak). Aber noch reicht mei­ne Moti­va­ti­on, ein­fach wei­ter zu machen. Heu­te bin schhon ein biss­chen stolz, dass dich die zwei Jah­re – eine wich­ti­ge psy­cho­lo­gi­sche Moti­va­ti­ons­hil­fe – wirk­lich geschafft habe. Und auch ein biss­chen besorgt, ob ich die Moti­va­ti­on wei­ter tra­gen kann. Aber ande­rer­seits: Es ist ja kei­nes­wegs eine Quä­le­rei, das täg­li­che Lau­fen. Klar, manch­mal wür­de man lie­ber im gemüt­li­chen Ses­sel sit­zen blei­ben. Aber so bald ich drau­ßen bin und den ers­ten Kilo­me­ter in den Füßen habe, ver­spü­re ich eigent­lich auch immer wie­der die Lust, dem noch eini­ge fol­gen zu las­sen. Mit ganz weni­gen Aus­nah­men.

Gelau­fen bin ich in den ver­gan­ge­nen 730 Tagen 9300 Kilo­me­ter. Das macht immer­hin 12,75 Kilo­me­ter am Tag, durch­schnitt­lich. Gar nicht so schlecht 😉

training auf dem rheinsteig

Auf dem Rhein­steig war ich ja schon öfter unter­wegs. Dies­mal soll­te es ein Trai­nings­ma­ra­thon wer­den – zum 700. Tag unun­ter­bro­che­nen täg­li­chen Lau­fens (strea­k­en) muss es ja etwas beson­de­res sein. Also ver­schob ich den Start von Elt­ville nach Erbach, das bringt unge­fähr zwei Kilo­me­ter Stre­cke – und damit den Rest, der mir bis­her zum Mara­thon gefehlt hat.
Das Pro­ze­de­re war das übli­che: Um kurz vor 9 bin ich in Mainz in die S8 gestie­gen, die mich nach Wies­ba­den brach­te. Dort nahm ich die Regio­nal­bahn in Rich­tung Koblenz – am Pfingst­sams­tag war das ein Wan­de­rer-Zug. Und obwohl die Leu­te auch lau­ter komi­sche Kla­mot­ten hat­ten, haben sie mich trotz­dem selt­sam ange­schaut – mit mei­nen Kom­pres­si­ons­strümp­fen, kur­zer Tight, ärmel­lo­sen, engen Sin­glet und zwei Fla­schen in der Hand ent­sprach ich nicht den übli­chen Rei­sen­den – die waren mit schwe­ren Schu­hen, Stö­cken und Ruck­sack unter­wegs (weder schwe­re Schu­he noch Stö­cke sind in der Gegend für irgend etwas nötig …).

Um 9:30 ging es dann in Erbach im Rhein­gau los. Das Ther­mo­me­ter zeig­te schon 20 °C, die Son­ne brann­te vom wol­ken­lo­sen blau­en Him­mel recht unbarm­her­zig her­un­ter. Mei­nen Weg, den ich mir so aus­ge­dacht hat­te, fand ich pro­blem­los: Kurz nach dem Bahn­hof ab und aus Erbach hin­aus durch die Fel­der in Rich­tung Klos­ter Eber­bach. Das heißt vor allem: Es ging gleich berg­auf. Aber nicht sehr steil. Noch nicht. Kurz vorm Klos­ter traf ich dann auf das Sträß­chen, das mich an die Klos­ter­pfor­te führ­te. Dann noch schnell zwi­schen Schän­ke und Basi­li­ka durchs Klos­ter und auf der ande­ren Sei­te wie­der hin­aus. Da stand ich dann erst­mal, im Wald. Auf­grund von Bau­ar­bei­ten an der Klos­ter­mau­er war da näm­lich ziem­li­ches Durch­ein­an­der und ich fand kei­ne Rhein­steig-Mar­kie­rung. Das war nicht so pri­ckelnd. Denn hier kann­te ich den Weg ja so gut wie gar nicht – das bin ich nur mal vor Ewig­kei­ten in die ande­re Rich­tung gewan­dert … Aber die Rich­tung nach Kied­rich wuss­te ich noch, also war klar, wo ich suchen muss­te. Und kur­ze Zeit spä­ter fand ich den Rhein­steig dann auch tat­säch­lich. Der ging erst ein­mal berg­auf – das macht er ja ger­ne … Hier aber so rich­tig: steil und mat­schig. Ich ent­schied mich für den Schon­gang und mar­schier­te zum ers­ten Mal ein kur­zes Stück. Dann ging es aber bald bes­ser, im Wald etwas hin­ab und wie­der hin­auf und dann über eine der schöns­ten Stel­len des Rhein­steigs (so weit ich ihn ken­ne): Die Wie­sen ober­halb von Kied­rich. Mit wun­der­ba­rem Aus­blick über das Tal auf einem ganz alt­mo­di­schen Wie­sen­weg, ganz unbe­fes­tigt und eigent­lich nur von den Wan­de­rern genutzt. Inzwi­schen kamen mir von denen auch schon die ers­ten ent­ge­gen – es wur­den noch eini­ge heu­te, deut­lich mehr als sonst. In Kied­rich habe ich dann mini­mal abge­kürzt, damit ich nicht so viel im Ort rum­lau­fen muss­te. Hier wuss­te ich, was zu kom­men hat­te (hier kommt man näm­lich von Elt­ville auf den Rhein­steig): Der Auf­stieg zum Kied­ri­cher Turm. Der ist so rich­tig steil. Die ers­ten paar Keh­ren bin ich noch gelau­fen – schließ­lich muss­te ich Wan­de­rer über­ho­len. Nicht sehr klug, wahr­schein­lich. Und durch­ge­hal­ten habe ich es auch nicht. Auch vom Kied­ri­cher Turm hat man einen schö­nen Aus­blick. Vor allem bei solch einem Kai­ser­wet­ter.

Aber mit Pau­se war nix, ich hat­te ja noch eini­ge Kilo­me­ter vor mir. Zunächst durch die Wein­ber­ge, dann aber bald wie­der in den Wald. Da ging es dann lus­tig auf und ab, mit mehr oder weni­ger viel Schlamm – teil­wei­se war es ganz schön rut­schig. So ging es dann auf und ab, meist durch den Wald, mit kur­zen Wie­sen­stü­cken – so war die pral­le Son­ne noch gar nicht so „schlimm“. Irgend­wann kam dann auch schon Schlan­gen­bad – nach eini­gen Unsi­cher­hei­ten bei ver­schie­de­nen Kreu­zun­gen, wo ich mir nicht mehr sicher war, in wel­che Rich­tung der Weg ging – und beim Lau­fen gleich­zei­tig nach den Mar­kie­run­gen Aus­schau hal­ten und auf die gan­zen Schlamm­lö­cher und Stol­per­fal­len des Weges zu ach­ten ist anstren­gend. Aber es hat ja immer geklappt – nur ganz klei­ne mini­ma­le Ver­lau­fer waren dabei. Durch Schlan­gen­bad ging es dann, inklu­si­ve unan­ge­neh­mer Trep­pen im „Kur­park“.

Nach Schlan­gen­bad, das war mir noch in Erin­ne­rung, geht es erst ein­mal wie­der hoch. Das ging dann aber tat­säch­lich noch eini­ger­ma­ßen, obwohl mei­ne Bei­ne mitt­ler­wei­le schon deut­li­che Ermü­dung mel­de­ten. Dabei war noch nicht ein­mal die 20-km-Mar­ke geknackt. Aber die meis­ten Auf­stie­ge hat­te ich jetzt hin­ter mir, hin­ter Geor­gen­born ging es erst­einaml berg­ab (aller­dings so steil, dass es auch kei­nen Spaß mach­te). Und den schlimms­ten gab es nicht mehr: In Frau­en­stein wur­de die Weg­füh­rung zum Goe­the­stein hin­auf geän­dert und somit die steils­te Pas­sa­ge – wenn ich mich recht erin­ne­re, waren das vor­wie­gend Trep­pen­stu­fen – umgan­gen. So war ich schnel­ler als gedacht am Goe­the­stein – die nächs­te Etap­pe, sozu­sa­gen. Aller­dings, obwohl es jetzt flach wur­de – es lag noch ein gutes Stück Weg vor mir. Zunächst durch die Wein­ber­ge, kreuz und quer, damit ja mög­lichst wenig Asphalt oder Beton dabei ist. Dann durch die Gär­ten vor Schier­stein. Da konn­te ich an einer Quel­le noch ein­mal auf­tan­ken und mich erfri­schen. Inzwi­schen hat­te die Son­ne und die unge­wohn­te Wär­me näm­lich erheb­li­chen Tri­but gefor­dert: Mein Sin­glet hat­te schö­ne wei­ße Rän­der, die Haa­re kleb­ten in alle Rich­tun­gen, die Arme waren auch schon reich­lich kleb­rig. Irgend­wo dort in den Gär­ten ver­lor ich dann end­gül­tig den offi­zi­el­len Rhein­steig aus den Augen. Aber das war dann egal, jetzt ging es eigent­lich nur noch am Rhein hin­auf in Rich­tung Mainz – vor­bei auch am Bie­bri­cher Schloss, dass vom Wies­ba­de­ner Pfingst­tur­nier in Beschlag genom­men war. Inzwi­schen war der Weg zwar nicht mehr so anspruchs­voll – jetzt muss­te ich höchs­tens Spa­zier­gän­gern aus­wei­chen -, das Lau­fen wur­de aber nur bedingt leich­ter. Denn die Ermü­dung schlug jetzt doch ganz schön kräf­tig zu. Aber ein paar Kilo­me­ter noch – das soll­te doch zu schaf­fen sein. Bis Mainz ging es auch. Aber auf der Theo­dor-Heuss-Brü­cke wur­de mir lang­sam klar, dass nach den 42 Kilo­me­tern ziem­lich sicher Schluss sein wür­de. Schluss war dann auch, aber sogar etwas frü­her. Irgend­wo knapp vor dem Kilo­me­ter 41 ging mein Kreis­lauf in die Knie – und bevor ich im Lau­fen umkipp­te, mach­te ich der Qual lie­ber ein Ende und mar­schier­te den Rest nach Hau­se.

Gut vier Stun­den war ich unter­wegs – also nicht gera­de sehr schnell. Irgend­wo ist mei­ne Form abhan­den gekom­men. Dazu kam jetzt auch noch der Man­gel an Was­ser – getrun­ken habe ich wohl kaum mehr als 1,5 Liter – das war, gera­de bei die­sem Wet­ter, halt doch ein­fach zu wenig … Aber trotz aller Qual – es war den­noch wie­der schön, so lan­ge unter­wegs zu sein, so einen schö­nen und abwechs­lungs­rei­chen Weg bei so gran­dio­sem Wet­ter unter die Füße zu neh­men.
Hier ist die Über­sicht bei Run­sa­tur­day: Klick

abgebrochen

auch ein miss­glück­tes trai­ning ist ein trai­ning. ich bin mir nur noch nicht ganz sicher, wofür das trai­ning heu­te gut war. geplant waren ca. 44 km, bei kilo­me­ter 38 habe ich mit dem lau­fen auf­ge­hört und bin den rest gewan­dert – das war schon anstren­gend genug. irgend­wie war ich voll­kom­men platt und fer­tig. das hat­te sich schon vor­her ange­deu­tet, ab kilo­me­ter 30 – und damit eigent­lich zu früh – wur­de es schwer. da kam ich aus dem wald und von den vie­len auf- und abstie­gen heu­te wie­der ins müm­ling­tal und hat­te eigent­lich noch 14–15 recht fla­che kilo­me­ter vor mir. aber die zogen sich immer mehr, bis es irgend­wann ein­fach nciht mehr ging. bzw. ich kei­nen sinn mehr dar­in sah, mich für ein trai­ning noch mehr und wei­ter zu quä­len, als ich das ohne­hin schon getan hat­te.
schwie­rig ist aber die fra­ge, war­um das heu­te so kata­stro­phal schief­ging. ich ver­mu­te, so etwas wie über­trai­ning. die letz­ten drei wochen waren schon ziem­lich viel – es hat ein­fach spaß gemacht, geflutscht und lief erstaun­lich gut, trotz der hohen belas­tung. bis heu­te eben. das ver­rück­te ist, das die ers­te hälf­te – die bei der heu­ti­gen stre­cke erheb­lich schwe­rer ist als der zwei­te teil – ver­blüf­fend gut ging und sogar einen tick zu schnell. viel­leicht hat das noch dazu bei­getra­gen, dass dann irgend­wann nix mehr ging. nun­ja, mal sehen, wie es mor­gen geht. da wer­de ich auf jeden fall ganz behut­sam ans lau­fen her­an­ge­hen …

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