täglich laufen – auch streaken genannt – ist keine krankheit, keine psychose oder sonst irgend etwas gefährliches. es ist nur eine form, das laufen zu betreiben.
ich laufe momentan jeden tag. ohne pause: bei jedem wetter, ob es regnet, stürmt oder schneit, die sonne knallt oder der nebel herumhängt: jeden tag ziehe ich meine laufschuhe an und gehe raus (drinnen, d.h. auf dem laufband, bin ich noch nie gelaufen). auch im urlaub, beim skifahren (das ist ziemlich hart …), auf tour und sonst: immer. wie das aussieht, steht in einem blog-beitrag.
wie kam es dazu? es fing damit an, dass ich ja zunächst einfach ohne plan und vorgabe lief, also wie ich lust habe: wenn es mir gut geht und ich zeit habe, länger (meine längste einheit bisher: 37 km), andernfalls eben kürzer. im herbst 2006 habe ich allerdings gemerkt, dass meine wochenkilometer doch sehr stark schwankten – und das war und ist nicht sehr gesund für knochen, gelenke, bänder etc. nach den ersten sich leicht ankündigenden problemen in den schienbeinen habe ich deshalb beschlossen, zwar weiterhin ohne festen trainingsplan zu laufen, dem ganzen aber mehr beständigkeit und gleichmäßigkeit zu verleihen. da ich zu der zeit auch zufällig über das phänomen „streakrunning”, d.h. des täglichen laufens, gestolpert bin (zum beispiel auf der seite von robert bock), habe ich am 1.12.2006 meinen ersten streak begonnen: jeden tag mindestens 1,6 km zu laufen (bei mir ist eigentlich, mit ganz, ganz wenigen ausnahmen, 3 km das minimum – noch kürzer ist kein echtes laufen, das rentiert sich nicht so recht …). in der rangliste und der „hall of fame” der deutschen streakrunner stehe ich als „merderein”, meinem forumsnamen des entsprechenden streakrunning-forums (und auch im kilometerspiel).
die erste serie hielt ich 534 tage durch, bis mich der muskelfaserriss beim rennsteig-supermarathon vorerst außer gefecht setzte. in der zeit habe ich meinen durchschnitt konsequent von zunächst knapp 6 km/tag auf bis zu 21 km/tag gesteigert – in der summe waren das in dieser serie 5788,46 km – also knapp 11 km pro tag im durchschnitt der gesamten serie. die zweite serie läuft jetzt seit über vier jahren, aber mit geringeren täglichen kilometerleistungen.
es mag sich verrückt anhören, unbedingt jeden tag zu laufen. aber es ist, zumindest für mich, enorm gut für die motivation (und eben die konstanz). man muss natürlich, wie überhaupt beim laufen, aufpassen: die gefahr des übertrainings ist nicht gering. man muss erstens unbedingt eine umstellungsphase einplanen – bei mir waren das schon so ungefähr drei wochen. in der zeit war ich ziemlich angeschlagen, ständig mehr oder weniger kaputt. und man muss zweitens unbedingt darauf achten, die reize der täglichen läufe unterschiedlich zu setzen. also nicht immer die gleiche strecke in der gleichen zeit. sondern eben auch, ob als rekom-lauf oder einfach so, auch bewusst langsame läufe, bewusst abwechseln zwischen langen und kurzen, tempo- und ausdauerläufen. gerade das langsam-laufen fiel mir z.b. zunächst gar nicht leicht, da musste ich mich (und muss mich eigentlich immer noch) ziemlich zwingen. aber jeden tag auspowern geht eben nicht, das wäre ungesund (und würde auch kein spaß machen). und wenn man sich mal dran gewöhnt hat: auch ein gemütlicher mittlerer oder langer lauf kann eine wunderbare, fast entspannende sache sein.
zusammenfassen kann ich nach nun mehr als vier jahren ununterbrochenen laufens folgende vorteile des täglich-laufens:
- der grundumsatz steigt (ich habe langsam doch ein wenig abgenommen – ohne meine ernährung groß zu ändern)
- die fitness erhöht sich (nach einer gewöhnungszeit)
- das immunsystem wird stärker: ich habe dieses jahr keine einzige richtige erkältung gehabt – ein neuer rekord
- die regenerationsfähigkeit des körpers verbessert sich (allerdings erst nach eine phase der umgewöhnung). aber nun erhole ich mich merklich schneller von anstrengenden läufen
- das vertrauen in die eigene leistungsfähigkeit steigt: ich war mir ziemlich sicher, dass ich keine 100 tage am stück schaffe – nun sind es schon mehr als 300. es geht mehr, als man manchmal denkt …
- die motivation wird gefördert: natürlich gibt es auch tage, da hat man eigentlich keine besondere lust, laufen zu gehen. der (sanfte) zwang, dass sonst der streak reißen würde, verhilft zur überwindung der unlust. und eigentlich immer macht das laufen dann doch wieder spaß
- mein innerer schweinehund ist emigriert, gestorben oder explodiert – jedenfalls meldet er sich nicht mehr 😉
die liste der nachteile ist kürzer:
- der zeit- und planungsaufwand: man braucht einfach ein bisschen zeit dafür. und man muss seine tagesabläufe entsprechend planen – etwa auch mal eine halbe stunde früher aufstehen, um gleich morgens zu laufen.
- die gefahr der überanstregung ist natürlich da. sie lässt sich aber mit gesundem menschenverstand und ein wenig vorsicht sehr gut kontrollieren.
- der verschleiß von schuhen und kleidern ist doch deutlich höher: ich habe permanent mindestens zehn paar schuhe im einsatz – und die halten leider alle nicht ewig …
- der rest der welt (mit der ausnahme einiger weniger gleichgesinnter) erklärt einen für mehr oder weniger verrückt.
man sieht, die waage neigt sich bei mir sehr stark nach einer seite. aber das alles sind sehr subjektive erfahrungen: das tägliche laufen ist bestimmt nicht für jeden läufer das richtige. aber auch nicht unbedingt das falsche. ob es passt oder nicht, muss man immer selbst entscheiden. und auch, wie viel man dafür opfert, wie sehr man an der erhaltung des streakes hängt, d.h. wie viel anstrengung (und eventuell auch schmerzen) man in kauf nimmt, nur um die serie nicht reißen zu lassen. meine erfahrungen und erlebnisse aus dem ersten jahr stehen in diesem blog-beitrag.