Immer, wenn ich die Lust am Laufen etwas ver­liere, weiß ich: ich muss mal wieder im Oden­wald laufen. Das ist wirk­lich ein Heilmit­tel.

Schon der Wald alleine, in dem ich mich beim Laufen größ­ten­teils aufhalte. Da ist das beglei­t­ende Zilpen der Klein­vögel, hin und wieder ein gemäch­lich-majestätis­ches Flügelschla­gen eines Greifvo­gels, das vor­bei­huschende Reh und auch die eine oder andere Sch­necke am Wegrand.

Die Beine bluten aus den Kratzern des Brombeerdic­kichts und die Pusteln der Bren­nes­seln juck­en, die Ober­schenkel bren­nen von der let­zten steilen Stei­gung.
Aber das macht alles nicht, es ist ein­fach wun­der­schön im Wald, so mut­tersee­le­nallein, wo man wirk­lich im wahrsten Sinne des Wortes stun­den­lang laufen kann, ohne ein­er Men­schenseele zu begeg­nen.

Und dann bricht man aus dem Wald her­vor, genau in dem Moment, in dem die Sonne eine Lücke in der dün­nen Wolk­endecke find­et, und dann liegt das Müm­ling­tal strahlend vor einem, man schaut wie ein König von der Höhe über die Weit­en des Oden­walds — oder eines unbe­deu­ten­den Neben­tälchen: Das ist ein­fach magisch, her­rlich, fast unbeschreib­lich in sein­er schlicht­en Schön­heit, die mich immer wieder umhaut. Dabei ist die Land­schaft ja gar nichts “Beson­deres”, son­dern ein­fach deutsches Mit­tel­ge­birge …

Dann geht es weit­er, über Wiesen und Wei­den, über die ruhen­den Stop­pelfelder, die langsam wieder weich wer­den und kaum noch an den Waden kratzen, und wieder zurück in den Wald, eine schmale Rin­nen hinab, die von den starken Regen­fällen der let­zten Tagen ganz aus­ge­waschen ist und wo jed­er Schritt kurz vorm Sturz scheint.

Dann auch wieder auf schmalen und bre­it­en Wegen, vor­bei an den muhen­den Rindern auf der Wei­de, die unbeteiligt glotzen.
Und schließlich auch wieder zurück in die Zivil­i­sa­tion, wo Rauch­er sam­stags mor­gens ihre Schoßhünd­chen aus­führen, Blech­dosen­men­schen vor­beibrausen und der Lärm anschwillt …

Aber das gehört eben auch dazu, zum Laufen. Und es ist ja nicht so, als ob der Wald hier wirk­lich wild wäre, das ist ja alles bewirtschaftet (und bejagt, die Spuren der Gelän­dewa­gen find­en sich immer wieder …).

Und den­noch: Hier fließen die Endor­phine reich­lich­er, hier sind die Glücksmo­mente länger und häu­figer. Und die Schmerzen und die Erschöp­fung größer, dennn auch die Hügel sind steil­er …