Da Uptothetop wärmstens die Lektüre von The Summit Seeker empfohlen hat, machte ich mich mal ans Lesen. The Summit Seeker ist der sehr persönliche Bericht über das Trail-Ultra-Laufen, vor allem aber über dessen positive Wirkungen auf Psyche und Physis der Läuferin Vanessa, die unter vanessaruns.com auch bloggt.
Das ist ein schlicht geschriebenes selbst verlegtes Büchlein, aber mit dem — ich möchte sagen: typisch amerikanischen — Pathos der Ultraläufer, vor allem der bekehrten: (zum Laufen natürlich, das gerne auch als (Ersatz-)Religion dient …). Das Laufen ist nie einfach nur Laufen, sondern immer gleich so etwas wie der Sinn des Lebens, die Heilung, die Rettung von den Schicksalsschlägen des Lebens oder so: “Home is the trails I run.” (19)
Gleich zu Anfang stellt sie klar:
If you’re after a book about how to run faster, how to reach a new PR, or how to train for next race, this is the wrong place to look.
My book is about running, but it doesn’t tell you what to do. And it’s a memoir, but not about somebody famous. (xvii)
Und das stimmt auch, für meinen Geschmack sogar fast zu sehr. Mich hätten zusammenhängendere Berichte vom Laufen selbst durchaus auch noch interessiert, da gibt die Autorin aber leider meist nur kurze Einblicke in besondere Momente. Denn es geht eigentlich um etwas andere, um die Leidenschaft für die Bewegung draußen, abseits der “Zivilisation”. Und das wird schnell und immer wieder grundsätzlich: Laufen, um zu (über-)leben. Ich bin da ja immer etwas rest-skeptisch, bei solchen Schilderungen von Erweckungs- und Erlösungserlebnissen: Das kann funktionieren, kann aber auch vollkommen falsche Erwartungen wecken. Z. B. wenn sie schreibt:
Today, when I run, regardless of what I’m going through, all is well. My life sorts itself out. Ideas are born, and I find the tools to make them reality. My mind races, yes I feel calm. My legs move quickly, yet I am still. (9)
Mir ist das alles zu aufgeladen, zu überhöht: Ja, das Laufen — egal in welcher Manier und welcher Länge — liefert wunderbare Erlebnisse und verändert natürlich nicht nur die Physis, sondern auch die Psyche des Läufers und der Läuferin. Aber deshalb ist es nocht nicht die Lösung für alles, und schon gar nicht die Essenz des Lebens — das deckt sich einfach nicht mit meinen Erfahrungen und Beobachtungen. Vielleicht bin ich da aber auch einfach zu rationalistisch veranlagt …
Mich nervt jedenfalls — beileibe nicht nur hier, auch Dean Karnazes z.B. ist ein solcher Fall — die Verklärung und Überhöhung der (durch das Laufen gewonnenen und erlebten) Stärke immer etwas. Natürlich (nun ja, ganz natürlich ist es nicht) wächst man am Laufen, wird körperlich und auch mental stärker. Aber das sollte man nicht so verklären — genauso kann man auch sitzend wachsen ;-). Von diesen Mäkeleien mal abgesehen, bleibt aber trotzdem noch eine gar nicht so uninteressante episodenhaft-thematisch erzählte Geschichtensammlung eines sehr bewegten und bewegenden Lebens, das auf jeden Fall eine Lektüre wert ist.
Vanessa Rodriguez: The Summit Seeker. Amazon 2013. ISBN 978–1‑48250293016–8. Seiten + Vorwort von Gordon Ainsleigh. Ca. 10 Euro.
Danke für den Link.
Das Buch mag in der Tat Geschmackssache sein, aber mir gefällt es um Längen besser als “Ultramarathon Man” von Dean.
Die Amerikaner gehen oft etwas anders an die Sache heran, aber das macht es in meinen Augen sehr interessant.
Aber du hast recht, man muss es mögen und schon etwas “offen” für diese Art des Schreibstils und vor allem des Laufstils sein, um Gefallen an dem Buch zu finden.
Anders ist es auf jeden Fall! 😉
Ja, anders ist es schon. Und schlecht auch gar nicht.
Dean ist eben ein echter Meister der Selbstvermarktung 😉