Übers Laufen und was sonst so draußen passiert.

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Marathon und Alter

Die New York Times schreibt einen net­ten kleinen Artikel über die Frage, wie und warum die Marathonzeit­en für ältere Läufer ger­ade so viel schneller wer­den. Das Ergeb­nis ist nicht son­der­lich über­raschend:

Peo­ple of all ages and abil­i­ties are get­ting smarter about how they train, and that is allow­ing them to remain fast as they age.

. Aber How to Run a Marathon Faster as You Get Old­er ist trotz­dem eine nette Lek­türe.

Abgekürzt und gedopt: “Die Philosophie des Laufens”

austin & reichenbach, philosophie des laufensDer Titel ist recht voll­mundig und hat mich sofort gepackt und neugierig gemacht: Die Philoso­phie des Laufens — das klingt span­nend und vielver­heißend. Nicht etwa „eine“ Philoso­phie oder „Laufen und Philoso­phie“, nein, Austin und Reichen­bach ver­heißen auf diesen knapp 200 Seit­en Die Philoso­phie des Laufens. Und lei­der kön­nen sie dieses Ver­sprechen so über­haupt nicht ein­lösen.

Die Nen­nung der bei­den Her­aus­ge­ber­na­men ist allerd­ings schon ein Hin­weis auf ein Prob­lem, dass ich mit dem Buch habe. Denn let­ztlich sind das eher zwei Büch­er. Der eigentliche Kern basiert auf ein­er englis­chsprachi­gen Veröf­fentlichung, die Austin bere­its 2007 mit dem ungle­ich passenderen Titel Run­ning & Phi­los­o­phy: A Marathon for the Mind her­aus­gab. Doch von den 19 dort gedruck­ten Auf­sätzen hat der deutsche Her­aus­ge­ber nur acht über­set­zt und über­nom­men und die „Lücke“ mit deutschen Beiträ­gen gefüllt. Die sind aber nun alle ger­ade über­haupt keine philosophis­che Beschäf­ti­gung mit dem Laufen, so dass sich das sehr sorgfältig und schön hergestellte Buch gle­ich mal als Mogel­pack­ung erweist — oder, um es mit einem Läufer­bild zu sagen, der Marathon ist hier kaum 20 Kilo­me­ter lang.

Und wenn man das Bild noch weit­er­spin­nt: Statt eines schö­nen und schwieri­gen Berg- oder Land­schafts-Marathons erwartet den Leser eine wenig inspiri­erende Strecke durch flache Indus­triege­bi­ete. Denn selb­st wenn ich die deutschen Beiträge erst ein­mal außen vor­lasse — der Ertrag der Texte ist wed­er auf philosophis­ch­er noch auf läuferisch­er Seite sehr hoch.

Das zweite von drei Vor­worten entwick­elt zunächst das Pro­gramm:

[…]Läufer sind auf der Suche nach mehr als nur der Ziellinie oder dem Ende der Train­ingsrunde. Für viele ist Laufen auch ein Weg, um Wahrheit­en zu find­en, über sich selb­st und die Dinge in ihrem Leben, die ihnen etwas bedeuten. Für viele von uns ist Laufen ein Weg, sich selb­st ken­nen­zuler­nen, ein Teil unseres Weges zum Glück­lich­sein. Das Laufen schafft uns Freiräume, in denen wir uns über unser Leben und seine großen Fra­gen Gedanken machen kön­nen. Und an eben­jen­em Punkt über­schnei­den sich die Ziele des Läufers und die des Philosophen. Sowohl das Lauf als auch das Philoso­phieren kön­nen uns in ihren besten Momenten helfen, etwas über uns selb­st zu erfahren und darüber, was wichtig ist; vielle­icht sog­ar etwas über Wirk­lichkeit an sich.

Die hier geweck­ten Erwartun­gen kann das Buch dann aber kaum ein­lösen. Sich­er, einige inter­es­sante Ideen und Anre­gun­gen steck­en da drin. Aber die wer­den fast immer nicht aus­re­ichend entwick­elt, um wirk­lich eine „Philoso­phie des Laufens“ begrün­den zu kön­nen.

Michael Austin überträgt das Konzept der Fre­und­schaft aus Aris­tote­les Niko­machis­ch­er Ethik auf Lauf­fre­und­schaften — ein eigentlich nahe­liegen­der Trans­fer, der auch passt, aber wenig neue Erken­nt­nis oder Ein­sicht ins Laufen liefert. Ray­mond Bel­liot­ti bringt in ein­er etwas gezwun­genen Syn­these Laufen und die Macht über Niet­zsches Machtvorstel­lun­gen zusam­men (kon­nte mich über­haupt nicht überzeu­gen).

Ganz unpassend und wenig erken­nt­n­is­fördernd fand ich den Ver­such von Gre­go­ry Bassham, sieben “Voraus­set­zun­gen” des Erfol­gs (im Leben, der Kar­riere und über­haupt) auf das Laufen anzuwen­den. Das ist genau so, wie es sich anhört: Selb­sthil­fege­blub­ber.

Ray­mond Vanar­ragons „Lob des Jog­gers“ führt ein auf den ersten Blick vielver­sprechen­des Kri­teri­um zur Unter­schei­dung von Joggen und Laufen ein: Nicht das Tem­po, son­dern das Ziel führt zur Dif­feren­zierung. Joggen heißt dann, sich bewe­gen, um fit zu bleiben oder zu wer­den. Laufen dage­gen hat andere Ziele: prize und chal­lenge, also unge­fähr: Sieg und/oder Her­aus­forderung (Van­naragon unter­schei­det beim Laufen noch ein­mal zwei Typen). Eine zumin­d­est the­o­retisch dur­chaus überzeu­gende Typolo­gie, finde ich — die müsste man mal empirisch testen …

Am span­nend­sten und inter­es­santes ist der Text von Christo­pher Mar­tin zum „Laufen als ästhetis­che Erfahrung“, der sich dafür bei Deweys Ästhetik-Konzept bedi­ent. Heather Rei­ds „Die Frei­heit des Langstreck­en­läufers“ ist eine exis­ten­tial­is­tis­che Lek­türe von Alan Sil­li­toes The Lone­li­ness of the Long Dis­tance Run­ner, die aber kaum über eine behut­sam kon­tex­tu­al­isierende Para­phrase hin­auskommt. Einen dur­chaus inter­es­san­ten Ansatz bietet Jere­my Wis­news­ki, der die verän­derte Welt­wahrnehmung beim und durchs Laufen unter die Lupe nimmt und sich dafür der Phänom­e­nolo­gie von Meleau-Pon­ty bedi­ent, lei­der aber etwas ober­fläch­lich bleibt (das ist ja eine grund­sät­zliche Krankheit aller Beiträge in diesem Band).

Aber: Auf den ersten Blick nett, aber ein­fach nur Anwen­dung von ein paar ver­streuten Ideen der Philoso­phiegeschichte auf die Tätigkeit des Laufens oder den Sta­tus des Läufers. Also eigentlich in der falschen Rich­tung gedacht: Laufen und Läuferin­nen dienen hier vor allem als Exem­pli­fika­tio­nen philosophis­ch­er The­o­reme oder Überzeu­gun­gen. Erwartet hätte ich hinge­gen eine philosophis­che Unter­suchung des Laufens (Mark Row­lands gelingt das in Der Läufer und der Wolf zwar auch nicht erschöpfend, aber wesentlich bess­er als diesem Band), nicht eine läuferische Betra­ch­tung der Philoso­phie.

Ganz beson­ders ärg­er­lich fand ich aber das deutsche Füll­ma­te­r­i­al. Viel mehr ist das näm­lich nicht. In einem Blog hät­ten die bess­er Platz gefun­den (da kom­men sie bzw. ihr Kern, ihre Idee ja auch her): Isabel Bog­dan schreibt über ihren ersten 10-km-Lauf, Flo­ri­an Baschke über das Laufen mit Iphone-Apps, Jan Drees über das Leich­tath­letik­train­ing und so weit­er — das Prob­lem ist aber: Philoso­phie oder gar eine Philoso­phie des Laufens (oder wenig­stens eine Verknüp­fung oder Verbindung von Philoso­phie und Laufen) kommt da über­haupt nicht vor, so dass die Texte — die als einzelne dur­chaus nett sind — mich an diesem Ort, in diesem Zusam­men­hang ein­fach stören: Das ist Unsinn, eine Mogel­pack­ung. Zumal Peter Reichen­bach lei­der über­haupt nicht erk­lärt, warum er diesen Weg wählt, warum das orig­i­nale Konzept ein­er philosophis­chen Beschäf­ti­gung aus unter­schiedlichen philosophis­chen Blick­winkeln und Denkschulen mit ver­schiede­nen Aspek­ten des Laufen nicht beibehal­ten wurde. So bleibt ein Buch, das wed­er Jog­ger noch Läufer, wed­er Spaziergänger noch Walk­er ist, son­dern ein unerquick­lich­es Kud­del­mud­del.

Michael W. Austin, Peter Reichen­bach (Hrsg.): Die Philoso­phie des Laufens. Ham­burg: mairisch 2015. 197 Seit­en. ISBN 978–3‑938539–37‑8

Traumkörper in Form

Heute im Bild-Blog:

Tat­säch­lich ist Michelle Hun­zik­er in 57:11 Minuten 9,095 km (“Dis­tan­za”) gelaufen:

Es geht darum, ob sie wirk­lich — wie u.a. stylebook.de behauptet und berichtet — den Mai­land-Marathon gelaufen ist. Der Auf­mach­er dafür:

Tat­säch­lich ist Michelle Hun­zik­er in 57:11 Minuten 9,095 km (“Dis­tan­za”) gelaufen:

Die Antwort ist ein­deutig: gar nicht. Wer für gut 9 Kilo­me­ter fast eine Stunde braucht, ist nicht fit. In der Zeit laufe ich das ja rück­wärts …

Mehr als Marathon: Das “Handbuch Ultralauf”

Da ist es also endlich, das “Hand­buch Ultra­lauf” — dann soll­ten jet­zt ja endlich mal alle Fra­gen gek­lärt sein. Sie sind es natür­lich nicht, ganz im Gegen­teil. Und das ulti­ma­tive Hand­buch erscheint auch noch in der Runner’s‑World-Reihe — ist Ultra­lauf jet­zt endgültig Main­stream gewor­den? Nein, auch das nicht — das Hand­buch weist selb­st auf die tlw. stag­nieren­den, tlw. min­i­mal steigen­den Zahlen der Läufer und Läuferin­nen hin.

Wolf­gang Olbrich, Sport­wart der DUV, ver­sucht sich hier also am Run­dum­schlag: Von der Geschichte des Ultra­ma­rathon­laufs bis zu spez­i­fis­chen Train­ingsplä­nen ist über Train­ings­grund­la­gen, Aus­rüs­tung, men­tales Train­ing, Ernährungs- und orthopädis­che Fra­gen so ziem­lich zu jedem “Prob­lem” des Ultras hier etwas zu find­en. So richtig begeis­tern kon­nte mich das Buch aber trotz­dem nicht.

Das fängt schon am Anfang an: Die ersten 36 Seit­en (kein unbe­trächtlich­er Teil des Umfangs also) sind eigentlich ver­schenkt. Da wird aus­führlich die Sit­u­a­tion der Ver­bände (inklu­sive ihrer Komit­tees und deren Vor­sitzen­den) und der Meis­ter­schaften auf nationaler und inter­na­tionaler Ebene referiert — ist das wirk­lich nötig? Die DUV wird (natür­lich) sehr promi­nent dargestellt (inklu­sive der “inter­nen Stre­it­igkeit­en” … — den VFUM hätte man, bei aller Antipathie, hier dur­chaus auch mal erwäh­nen kön­nen). Auch die restlichen Ver­bände wie DLV und IAU bekom­men viel Raum. Und das gle­ich am Anfang, direkt nach eini­gen kur­sorischen Bemerkun­gen zur Geschichte des Ultra­laufs.1

Das Faz­it nach dem ersten Fün­f­tel also: Wenig hil­fre­ich bish­er. Doch dann geht’s los: Kapi­tel 6–8 zeigen die Train­ings­grund­la­gen für den Ultra­lauf. Hier beschreibt Olbrich dann doch wieder erst ein­mal die üblichen Train­ings­for­men — exten­sive und inten­sive Dauer­läufe, Inter­valle, Fahrt­spiele … -, aber wenig­stens schön knapp, obwohl er mehrmals darauf hin­weist, dass er genau das eigentlich voraus­set­zt (zusam­men mit mehrjähriger Marathon­er­fahrung). Vor allem tut er es aber mit spezieller Berück­sich­ti­gung der lan­gen Dis­tanzen und geht auch auf Aus­gle­ich­strain­ings (Dehnen, Kräf­ti­gungsübun­gen) und Lauf-ABC jew­eils knapp ein.

Dem fol­gen kurze (wirk­lich aus­führlich ist in dem Hand­buch eben nichts) Kapi­tel zur Ernährung (Olaf Hüls­mann), zu Prob­le­men des Magen-Darm-Trak­ts beim lan­gen Laufen (Ste­fan Hinze), zu orthopädis­chen Aspek­te der lan­gen Belas­tung (Diet­mar Göbel), zu men­tal­en Aspek­ten des Ultras und schließlich noch 25 Seit­en Train­ingspläne (50km, 100km, 24h, Etap­pen­läufe).

Die abschließen­den 12 Seit­en zur “Aus­rüs­tung” waren wohl Pflicht für die Spon­soren,2 sind für den Läufer aber eher unnötig — schließlich ist das Hand­buch laut Ein­leitung doch aus­drück­lich für Ath­leten gedacht, die “bere­its seit mehreren Jahren im Lauf­bere­ich trainieren” (11) — was ja auch sin­nvoll ist, bevor man den ersten Ultra ange­ht. Genau diese Sportler wis­sen aber doch schon, was man beim Laufen anziehn sollte, das es Pulsmess­er und GPS-Uhren gibt …

Ganz zum Schluss kommt noch ein kurz­er Lit­er­atur-Anhang mit sehr aus­g­wählten Titeln: (Basis-)Literatur zum Laufen all­ge­mein und zur Train­ingslehre fehlt kom­plett (obwohl z.B. beim Noakes doch auch was zum Ultra­lauf drin ste­ht), die Liste führt fast auss­chließlich medi­zinis­che (gas­tro-enterol­o­gis­che und orthopädis­che, auch psy­chol­o­gis­che) Untersuchungen/Artikel an.3

Also: Den Titel “Hand­buch” halte ich für etwas über­trieben, sowohl hin­sichtlich des Inhalts als auch des Umfangs von 192 seit­en (inkl. ver­schieden­er Lauf­berichte, die mir teil­weise schon bekan­nt vorka­men, aus der UM oder den entsprechen­den Inter­netquellen?, und kurzen Läufer­porträts, die aber sehr schema­tisch ger­at­en sind und die Per­so­n­en kaum vorstellen. Es bleiben dabei 180 Seit­en eigentlich­er Text der Kapi­tel 1–18 (mit vie­len, nicht immer aus­sagekräfti­gen Fotos). Wenn man die Ver­anstal­tungs­berichte und Porträts raus­nimmt, sind es noch 136 Seit­en, davon aber auch 25 Seit­en Defin­in­tion, Ultra-Geschichte, die Darstel­lung der Ver­bände, Meis­ter­schaften und großer Ver­anstal­tun­gen (kurz beschrieben wer­den: Com­rades, Biel, Bad­wa­ter, Spar­tathlon, Rodgau, Kien­baum und Rennsteig) — let­ztlich bleiben also nur noch gut 100 Seit­en für den eigentlichen Inhalt übrig — kein Wun­der, dass mir vieles etwas ober­fläch­lich dargestellt schien.

Ohne Zweifel wer­den alle wichti­gen Aspek­te abge­han­delt, aber zum Teil eben nur beschreibend, ohne vernün­ftige, d.h. wirk­lich helfende Hand­lungsempfehlun­gen (ins­beson­dere im Bere­icht der Ernährung und Ver­dau­ung), zum Teil auch ein­fach nur sehr abstrakt und wenig konkret.

Das Prob­lem, weswe­gen das Hand­buch mir so unbe­friedi­gend scheint, ist wohl fol­gen­des: Erstens ist Vieles, ger­ade das grundle­gende Wis­sen, in den großen Büch­ern zum (Marathon-)Laufen auch schon in den ver­schieden­sten Aus­prä­gung aus­re­ichend erk­lärt und beschrieben. Und zweit­ens gibt es zum Ultra­lauf keine bzw. nur wenige wirk­lich all­ge­mein gel­tenden Ver­fahrensweisen, was die Aus­gestal­tung des Train­ings im Detail z.B. bet­rifft, oder was die Ernährung während des Wet­tkampfes ange­ht — und das muss Olbrich, der ja ohne Zweifel Ahnung und aus­re­ichende Erfahrung hat und auch viele Läufer und Ver­anstal­tun­gen gut ken­nt, eben immer wieder kon­sta­tieren. Mich hat das ein wenig unbe­friedigt hin­ter­lassen, bei der Lek­türe.

Dazu kommt noch (wieder ein­mal) ein unzure­ichen­des Lek­torat — sprach­lich mit­telmäßig, wech­selt der Text z.B. zwis­chen Duzen und Siezen, Satzfehler etc. — das ärg­ert mich immer ein biss­chen. Das geht schon damit los, dass Umschlag und Titel sich nicht einig sind, wie das Buch über­haupt heißt. Und das set­zt sich im Text eben fortwährend fort. Das ist für Hob­by­pub­lika­tio­nen o.k., entspricht aber nicht meinem Anspruch an offizielle Ver­lagsveröf­fentlich­tun­gen.

Viel Gemeck­er also hier. Trotz­dem für den Ein­steiger sicher­lich nett und hil­fre­ich. Es geht aber eben auch bess­er — behaupte (und denke) ich. Ich ver­mute, es war den Autoren ein­fach nicht klar genug, was das werden/sein soll: Ein Hand­buch für Ultra­läufer? Für am Ultra­ma­rathon Inter­essierte? Soll es den Ultra­lauf populär(er) machen oder dem Ultra­läufer, ob Anfänger oder Fort­geschrit­ten­er, als Nach­schlagew­erk zur Seite ste­hen? Es will dann irgen­dewie alles — und schafft dann nichts richtig befriedi­gend.

Wolf­gang Olbrich: Hand­buch Ultra­lauf [Mehr als Marathon! Train­ingspläne für 50 Km und mehr, Men­tal­train­ing, Ernährungstipps]. Aachen: Mey­er & Mey­er 2011 (Runner’s World). 192 Seit­en. ISBN 978–3‑89899–657‑0. 19,95 Euro.

  1. Diese Geschichte müsste man wohl eigentlich noch/mal schreiben, aus Sicht des His­torik­ers ist das alles sehr unbe­friedi­gend. Denn in der Geschichtswis­senschaft passiert da ja dur­chaus einiges, v.a. im Bere­ich der Kör­pergeschichte und der Kul­turgeschichte über­haupt, was hier hin­passen kön­nte. Aber das nur so neben­bei.
  2. Das ist ja eine echte Unsitte der Sport­büch­er, ger­ade im Bere­ich Aus­rüs­tung, so etwas immer wieder her­anzuziehen — das ärg­ert mich immer wieder. Das “Hand­buch Ultra­lauf” ist, wie viele andere solch Büch­er, trotz­dem nicht bil­lig, zudem auch noch mit “Runner’s World”-Kooperation (die sind ja auch kein Fach­blatt für Ultra­dis­tanzen …) — muss diese Wer­bung für Polar (die ange­blich das beste Com­put­er­pro­gramm zur Auswer­tung haben — Sport­Tracks als Alter­na­tive wird nicht ein­mal erwäh­nt) und Gore wirk­lich sein?
  3. Und den kuriosen Ein­trag “Wikipedia” find­et man noch. Unge­nauer geht es ja eigentlich nicht mehr — Was und Wann war das denn, in welch­er Sprachver­sion?, da fehlt wirk­lich nur noch die Quel­lenangabe “Inter­net”.

Tag der Schmerzen

Nach dem recht schö­nen und erfol­gre­ichen Guten­berg-Marathon war im Mai klar: Das ver­suche ich nochmal — beim Hes­sen­tags­marathon in Oberursel. Und das war heute. Der Marathon war nicht nur eine gute Gele­gen­heit für einen lan­gen Lauf, son­dern auch mal wieder ein schöne Möglichkeit, andere Läufer zu tre­f­fen — vor allem die vom Twit­ter­lauftr­e­ff, aber auch einige andere, u.a. Petra von den Streakrun­nern und Andi vom MMM.

Zunächst hieß es aber: früh Auf­ste­hen. Sehr früh. Nach dem Schlaf­man­gel der let­zten Woche hat­te ich zwei Tage hin­tere­inan­der kaum fünf Stun­den Schlaf — das zehrt dann doch irgend­wie. Immer­hin, die Anreise nach Oberursel von Mainz aus war prob­lem­los: Mit dem Fahrrad schnell hinüber nach Mainz-Kasel, von dort um 5:34 Uhr (!) mit der S9 nach Frank­furt, und dann weit­er mit der S5 nach Oberursel — die war heute mor­gen ein richtiger Läufer­zug …

In Oberursel fol­gte dann ein kurz­er Fuß­marsch zur Sporthalle der Grund­schule Mitte (ger­ade rechtzeit­ig zum Hes­sen­tag fer­tig gewor­den, wie ich von einem Ein­heimis­chen erfahre) und der “Check-In”, also Start­num­mer abholen, Hand­tuch des Spon­sors DAK in Emp­fang nehmen (mit selt­samen Abmes­sun­gen — wofür das wohl gedacht ist?) und natür­lich der oblig­a­torische Gang zur Toi­lette. Dort war @speedrob etwas erstaunt, dass ich ihn in der Warteschlange anquatsche 😉

Dann, beim Umziehen, das Tre­f­fen mit den anderen Läufern von Twit­ter­lauftr­e­ff, Vorstellen, etwas Quatschen und den Lauf vor­bere­it­en. Nach dem Abgeben des Klei­der­beu­tels (mit extra “Gader­oben­num­mer”) wieder ein kurz­er (sehr kurz­er) Fußweg zum Start — so weit, so gut alles. Am Start kon­nten wir dann noch Joe Kel­ly bei der Pressear­beit zuschauen und lan­de­ten unverse­hens ganz vorne in der Star­tauf­stel­lung, weil der Start weit­er hin­ten ist als wir dacht­en. Das hat­te aber schon seine Richtigkeit, speedrob trug schließlich die Start­num­mer 1.

Und super­pünk­tlich geht es los — ganz unspek­takulär, ohne Startschuss, set­zen sich die 400 ?)Maratho­nis und die Startläufer der 80 Marathon-Staffeln um 8 Uhr in Bewe­gung. Die Halb­maratho­nis durften länger schlafen, deren Start ist erst um 9:15 (bei fast 1000 Anmel­dun­gen eine sin­volle Lösung — auch wenn ich mir sich­er bin, dass ich mich noch für 9 Uhr angemeldet hat­te — bei 8 Uhr hätte ich wohl länger über­legt …). Der Marathon begin­nt mit ein­er kurzen Runde durch die Stadt, ein­er kleinen Schleife auf den ersten bei­den Kilo­me­tern. Und dann geht es in den Wald — und gle­ich mal bergauf. Nicht so sehr schlimm, noch sind die Beine frisch. Aber es bleibt ja nicht der let­zte Anstieg.

Die Runde führt uns im Zick­za­ck (zumin­d­est empfinde ich das so, auf der Karte sieht das gar nicht so schlimm aus) über eine Bogen durch die Wälder des Taunus­ran­des von Oberursel — ganz nett eigentlich, da. Am Rand touch­ieren wir auch mal kurz zwei zu Oberursel gehörende Dör­fer. Und vor allem: Es geht immer auf und ab. Wirk­lich eben ist — zumin­d­est in mein­er Erin­nerung — keine 10 % der Strecke. Meist ist es nicht so sehr steil (obwohl es auch einige schon heftigere An- und Abstiege gibt), aber auch das macht sich bemerk­bar. So richtig fit fühlte ich mich dabei von Anfang an nicht, ein­fach etwas schlapp und nicht so knack­ig. Noch ist das aber über­haupt kein Prob­lem, so nach und nach fie­len die Kilo­me­ter.

Dann taucht auch schon die erste Verpfle­gungsstelle auf: Also kurz Wass­er fassen. Danach geht es über eine sehr schmale Brücke und ein kurzes Pfad­stück weit­er durch den Wald. Bald fol­gt dann auch die kurze Wen­depunkt-Strecke, bevor es wieder hinab geht nach Ober­st­edten, um das wir einen kleinen Bogen schla­gen, bevor die zweite Verpfle­gung erre­icht ist, die zugle­ich auch Staffel­wech­sel­zone ist. Dann kommt ein ganz nettes Stückchen, am Fel­drand, und dann durch die Tan­nenalle zum Gotis­chen Haus, wo es — wieder ein­mal — im Wald bergauf geht. Und da gings los: Der Magen krampft. Wieso ist mir völ­lig unklar, das macht er son­st ja auch nicht bei mir. Es wird zwar immer wieder bess­er, aber auch immer wieder schlechter: So ganz los werde ich das nicht mehr.

Über lange Ger­aden kom­men wir wieder zum Nadelöhr der Strecke bei der Verpfle­gungsstelle. Da kom­men mir nicht nur die führen­den Halb­maratho­nis ent­ge­gen, son­dern auch schon der erste Marathon — ein beachtlich­es Tem­po hat er drauf, er wird mit ein­er sehr guten 2:39 ins Ziel kom­men. Die Verpfle­gung ist in dieser Rich­tung etwas unprak­tisch, direkt am Aus­gang der Sta­tion geht’s näm­lich steil hoch auf die Hohe Mark. Gut, das lässt sich alles deich­seln, noch machen die Beine mit. Aber ein anderes Prob­lem taucht auf und wird nach der Hohen Mark, auf dem san­ften Bergab-Stück, doch deut­lich zu einem Prob­lem: Mein Kreis­lauf sol­i­darisiert sich mit dem Magen und fängt auch schon zu spin­nen. Das hat­te ich ja noch nie … Das sind keine wirk­lich ern­sten Prob­leme, aber immer wieder wird mir zeitweise etwas schumm­rig im Kopf, etwas unan­genehm fühlt sich das beim Laufen an. Vielleicht/hoffentlich liegt das am Schlaf­man­gel — mein Kör­p­er und mein Geist ist müde, die wollen jet­zt nicht auch noch einen Marathon laufen. Da ich ja nichts riskieren will, heißt das: Immer wieder Tem­po raus nehmen. So langsam find­en die Beine das auch eine akzept­able Idee. Auf den let­zten Kilo­me­tern der erste Hälfte erwäge ich sog­ar, Schluss zu machen — mir ist das alles zu selt­sam heute. Aber dann siegt doch wieder die Unver­nun­ft und der Kampfgeist 😉

Vor­erst geht es aber weit­er bergab, zurück nach Oberursel. An den Ort­srand kom­men wir beim Kreisel nach einem kurzen Wasser­fassen durch die Wende in die zweite Runde nach 22 Kilo­me­ter. Ich habe für die erste Hälfte (also den Halb­marathon) so ca. 1:57 gebraucht — gar nicht so schlecht eigentlich. Aber wohl doch zu schnell. Denn bergauf wird es zur jet­zt immer mehr Qual. Meine drei Prob­leme des Tages addieren sich: Die erst Geh­pause ist nach 23 Kilo­me­tern am Berg fäl­lig. Und sie bleibt nicht die let­zte. Denn der Magen grum­melt und krampft immer öfter — so richtig viel Spaß macht das nicht mehr. Die Geh­pausen häufen sich — alle Anstiege bewältige ich so: Die höhere Anstren­gung des Bergauf-Laufens mag näm­lich wed­er Kreis­lauf noch Magen noch tolerieren. Aber es geht weit­er. Und so langsam wer­den die Zahlen auf den Kilo­me­ter­schildern höher, irgend­wann ste­ht auch mal eine 3 vorne. Aber dann noch ein­mal der lange, san­fte Anstieg, vor­bei am Gotis­chen Haus, hoch in den Wald. Das zieht sich jet­zt ver­dammt lange … Vor allem zieht es sich bis zur näch­sten Verpfle­gungsstelle. Da ver­suche ich, ob Cola (nehme ich gerne kurz vor Schluss) heute ok ist — es scheint zumin­d­est nichts zu ver­schlim­mern. Dann der let­zte steile Hang hoch zur Hohen Mark, die let­zten 4,5 Kilo­me­ter … Inzwis­chen mag mein Fore­run­ner dieses elende Gewürge, das ich jet­zt Laufen nenne, mehr mit anse­hen und pro­tokol­lieren und hat sich abgeschal­tet (offen­bar hat er sich in der Nacht mal wieder selb­ständig angestellt — gestern abend war der Akku voll).

Und dann endlich Kilo­me­ter 40, der let­zte Abstieg nach Oberursel. Jet­zt noch ein­mal alles mobil­isieren, um laufend ins Ziel zu kom­men! Das gelingt auch, die Uhr ste­ht bei 4:24 irgend­was. Das ist — mit Abstand — meine schlecht­este Zeit. Ange­fühlt hat sie sich aber ver­dammt hart — der Hes­sen­tags­marathon kam mir vor wie der härteste Marathon in mein­er Samm­lung bish­er. Das lag aber nicht nur an mein­er wack­li­gen Kon­sti­tu­tion heute, son­dern natür­lich auch am fehlen­den Train­ing — irgend­wann merkt man’s halt doch 😉

Im Ziel habe ich erst­mal ordentlich gebechert — Wass­er, Apfel­saft, eine Banane — und das oblig­a­torische Bier. Dann bin ich zurück in die Grund­schule gewan­dert, geduscht und umge­zo­gen (alles prob­lem­los — kaltes Wass­er ist ja ok, so lange es noch nass macht), das Fin­ish­er-Shirt abge­holt und die anderen wieder­getrof­fen. Zumin­d­est einen Teil … — die meis­ten Halb­maratho­nis waren des Wartens schon über­drüs­sig gewor­den … Tja, und das war’s ja dann auch schon wieder: Ab zum Bahn­hof und heim — genug geschafft für heute.

Der Aus­richter TSG Oberursel hat mit dem Hes­sen­tags­marathon — immer­hin das erste Mal, dass er stat­tfand — eine ordentliche Arbeit geleis­tet. Die Organ­i­sa­tion war ins­ge­samt sehr zuver­läs­sig und gut (schön auch die sehr aus­führliche “Vor­bere­itungs-E-Mail” mit allen wesentlichen Dat­en zum Ablauf), die Strecke per­fekt aus­gewiesen und abges­per­rt, die Kilo­me­ter alle schön markiert, eine Menge Helfer waren unter­wegs. Deshalb die fol­gende Kri­tik bitte nicht zu hoch hän­gen: Eine Verpfle­gungssta­tion mehr auf der Runde wäre nicht verkehrt gewe­sen, die Abstände waren gren­zw­er­tig (und ich habe gehört, für manche auch schon zu groß — es gab wohl den einen oder anderen Prob­lem­fall). Für die Maratho­nis hätte ich mir — z.B. am Kreisel bei der Wende — auch ein paar Bana­nen oder so gewün­scht: Der Start war recht früh, nicht jed­er hat vorher wirk­lich aus­giebig gefrüh­stückt. Und dann habe ich noch nie bei einem Lauf, ob Marathon oder weniger, so wenig San­itäter gese­hen — näm­lich eigentlich nur an ein­er Stelle und im Ziel. Vielle­icht standen die in Bere­itschaft gut ver­steckt, aber das hat mich schon gewun­dert. Sich­er, bis auf einen Abschnitt im Wald waren die Helfer ziem­lich gut verteilt und sehr präsent, so dass es nicht allzu schwierig gewe­sen wäre, Hil­fe anzu­fordern.

Schön war aber auch: Es gab erstaunlich viel Stim­mung für so eine ein­ma­lige, erst­ma­lige Ver­anstal­tung — klar, das meiste war im Wald, aber in den bewohn­ten Gebi­eten gab es viel Anfeuerung für die Läufer. Und inter­es­sant: Die Staffeln waren erstaunlich langsam — da sind tat­säch­lich einige mit und nach mir ins Ziel gekom­men. Ich hat­te eigentlich erwartet, dass die spätesten­snach 3,5 Stun­den alle durch wären.

 

Marathon geht auch ohne Training

Es geht tat­säch­lich. Aber, um das gle­ich klarzustellen, vernün­ftig ist das über­haupt nicht. Und empfehlenswert auch nicht so richtig.

Aber von vorne: Nach langem Über­legen hat­te ich mich im Sep­tem­ber doch wieder für den Mainz­er Guten­berg-Marathon angemeldet. Ich war mir zwar noch nicht sich­er, ob ich den auf neue  Bestzeit laufen würde oder ein­fach so. Aber Train­ing hat­te ich schon geplant. Dann wollte aber zunächst meine Ferse nicht so recht. Und dann war Win­ter. Und dann … Ehe ich mich ver­sah, war jeden­falls schon wieder Feb­ru­ar — und ich ging beim 5. Mainz­er Maa­raue-Marathon auf den let­zten Run­den ziem­lich kläglich unter (kein Wun­der, die lan­gen Läufe fehlten ein­fach). Aber irgend­wie war das immer noch nicht genü­gend Moti­va­tion, endlich mal wieder in ein richtiges, geregeltes, ordentlich­es Marathon-Train­ing einzusteigen. Stattdessen spielte ich quer­feldein herum und begann, öfters in den Fivefin­gers zu laufen — was natür­lich, vor allem zu Beginn, gehöri auf die Dis­tanzen ging. Immer­hin hielt mein Streak noch: So kurz vor der Drei-Jahres-Marke wollte ich nicht klein beigeben. Und dann war der April auch schon wieder fast zu Ende und ich stand endgültig vor der Entschei­dung: Was mache ich nun am 8. Mai? Laufe ich trotz allem ver­such­sweise einen Marathon? Oder höre ich nach der ersten Runde auf? Ganz aus­fall­en lassen wollte ich das nicht, dafür war mir die Start­ge­bühr eigentlich zu hoch. Also mein vor­läu­figer Beschluss: Ich laufe zunächst den (sowieso schon geplanten und gemelde­ten) Franken­stein­lauf mit den Fivefin­gers. Und am Woch­enende danach stelle ich mich ein­fach an den Start, laufe los und schaue, was dabei rauskommt — dur­chaus mit dem Ziel, die 42 Kilo­me­ter auch voll zu machen.

Aber so ein­fach war es dann doch nicht. Beim Franken­stein­lauf ging näm­lich etwas schef (was, das weiß ich immer noch nicht): Am Ende der net­ten 15 Kilo­me­ter hat­te ich riesige Blasen unter den bei­den Fersen. Vor allem der linke Fuß (und links ist sowieso die Seite, wo bei mir alle Unfälle passieren) sah gar nicht gut aus. Den Anfang der Woche habe ich die Füße also mit kurzen Läufen geschont. Beim ersten etwas “län­geren” Lauf, der Dreibrück­en­runde mit ca. 12 Kilo­me­tern, am Don­ner­stag hat­te ich wohl doch die falschen Schuhe erwis­cht. Jeden­falls hat es links noch ein­mal etwas gerieben und die Blase — die ja nicht nur auf der Sohle war, son­dern sich auch auf den Außen­rist hochzog — fing an, sich zu öff­nen. Das war jet­zt wirk­lich blöd, die neue Haut unter der Blase war näm­lich noch reich­lich empfind­lich. Also wieder alles in Frage stellen? So schnell nicht, es gibt für alles eine Lösung. Und der Plan bestand weit­er­hin. Zumal ich mich inzwis­chen ein­er kleinen Gruppe Mainz­er Läufer angeschlossen hat­te, die beim Marathon mit entsprechen­den T‑Shirts für den Ausstieg aus der Atom­en­ergie wer­ben woll­ten — ein Rück­zug war jet­zt also nicht mehr möglich.

Und dann war es auch schon Son­ntag. Der Weck­er klin­gelte um acht Uhr, das sollte mir genü­gend Zeit geben, mich vorzu­bere­it­en. Denn das Wichtig­ste heute war: Tapen ohne Ende. Alle halb­wegs kritschen und gefährde­ten Stellen der Füße wur­den großzügig mit Leuko­tape gesichert.

Trotz­dem war ich mir immer noch nicht im Klaren, wie das aus­ge­hen würde … Kurz vor Neun machte ich mich dann auf den kurzen Fußweg zum Start an der Rhein­gold­halle. Eigentlich waren die Läufer “gegen Laufzeitver­längerung” am Ende des ersten Start­block­es verabre­det. Aber das war offen­sichtlich keine gute Idee gewe­sen — gefun­den haben wir uns da näm­lich nicht. Da ist auch kein Wun­der: Die Star­tauf­stel­lung in Mainz ist zwar the­o­retisch gut und genau geord­net, löst sich aber jedes Jahr spätestens um 9.20 Uhr in totales Chaos auf. Im ersten, roten, Start­block waren dann auch wirk­lich alle Far­ben zu sehen: Grün, Blau, Gelb, Orange. Und das merkt man auf den ersten Kilo­me­tern, die ja sowieso ein ziem­lich­es Gewusel sind, doch sehr deut­lich.

Irgend­wann war es dann wieder soweit: Die häm­mernde 08/15-Tech­no­musik durfte schweigen, der Marathon wurde ges­tartet. Selb­st für den ersten Block dauert das natür­lich immer etwas, bis man wirk­lich an der Star­tlin­ie ist und loslaufen kann. 12000 Läufer seien am Start, hieß es im Feld. Kein Wun­der, bei strahlen­dem Son­nen­schein und schon mor­gens angenehmen 20 °C gibt es kaum Ausre­den … Also, es ging los. Ich schwamm zunächst ein­fach mal im Feld mit, schaute, was so passiert — mit mir und meinen Füßen. Und meinen untrainierten Muskeln. Bald hin­term Start holte mich der erste Anti-Atom-Läufer ein, zog aber bald weit­er, weil er einen zügigeren Halb­marathon geplant hat­te. Etwas später wiederum hat­te ich auf ein­mal eine Geis­ter­hand an der Schul­ter: Ronald, auch mit gel­ben T‑Shit, hat­te mich gefun­den. Das war eine gute Fügung, wir blieben bis kurz vor der Halb­marathon­marke zusam­men. Bis dahin lagen aber noch ein paar Kilo­me­ter vor uns. Bei der ersten Verpfle­gung auf dem Weks­gelände von Schott war großes Chaos — angesichts der Wärme woll­ten die meis­ten Läufer gle­ich von Anfang an trinken, was die hil­fs­bere­it­en Wasser­auss­chenker gut in Anspruch nahm. Denn noch war das Feld sehr dicht, wir waren ja auch erst einige Kilo­me­ter unter­wegs. Und es blieb auch recht voll auf der Strecke: In unserem Tem­po waren ziem­lich viele unter­wegs. So spul­ten wir also Kilo­me­ter für Kilo­me­ter ab, meist zwis­chen 5’20 und 5’30. Meine Tak­tik sah eigentlich gaaaaanz anders aus: Da ich meine Form über­haupt nicht ein­schätzen kon­nte, hat­te ich mir das vol­lkom­men willkür­liche Ziel der Vier-Stun­den-Marke geset­zt, was — vor allem am Anfang — eher 5’40 pro Kilo­me­ter bedeutet hätte. Aber irgend­wie liefs ein­fach lock­er und angenehm — durch’s Mom­bach­er Gewer­bege­bi­et und dann wieder durch den großen Hotspot Mom­bach — die ganz selb­st­be­wusst, aber nicht völ­lig zu Unrecht behaupteten, die beste Stim­mung an der Strecke zu haben, zurück in Rich­tung der Mainz­er Innen­stadt. Bis dahin gab’s natür­lich wieder einige Schlenker und Kur­ven durch die Wohnge­bi­ete der Neustadt. Aber inzwis­chen, nach sieben, acht Kilo­me­tern, machte das Laufen in diesem Tem­po richtig viel Spaß. Auch wenn ich anf­ing zu grü­beln, wie wohl meine zweite Runde ausse­hen würde — Roland wollte ja irgend­wo bei Kilo­me­ter 30 aussteigen um seine Kräfte für den Rennsteig-Marathon zu sparen.

Ruck­zuck waren wir dann um die Chris­tuskirche herum und eil­ten schon wieder auf die Alt­stadt zu. Sehr schön immer wieder der Moment, wenn man von der Lang­gasse auf die Lud­wigstraße ein­biegt, und in die Pub­likums­massen ein­taucht — da war schon ziem­lich viel los. Auch auf dem Guten­berg­platz und durch die Augustin­er­straße war wieder klasse Stim­mung. Dann, hin­ter dem Süd­bahn­hof, begin­nt ja der etwas abschreck­ende Teil der ersten Runde: Die ewig lange Ger­ade nach Weise­nau, die man nach der Wende — die ja tat­säch­lich erst kurz vor der Auto­bahn ist — auf der anderen Straßen­seite wieder zurück­laufen darf. Das heißt ja auch, dass man vor allem stad­tauswärts immer schon sieht, wer alles schon zwei, drei Kilo­me­ter weit­er ist … Wenn man das aber mal ken­nt, ver­liert auch diese Ger­ade ihren Schreck­en. Und auf dem Rück­weg ist ja der Halb­marathon schon fast geschafft (nagut, drei, vier Kilo­me­terchen sind das auch noch). Wir blieben unserem Tem­po aber weit­er­hin treu. Klar, inwzsichen merk­te ich schon, dass die muskuläre Belas­tung stieg — über 16 Kilo­me­ter bin ich in diesem Jahr ja nur sehr sel­ten hin­aus­ge­laufen. Und da war ich inzwis­chen schon durch. Aber das Tem­po war noch immer gut zu laufen. Bei der let­zten Verpfle­gung vor dem Halb­marathon ver­lor ich Roland dann lei­der total — keine Ahnung, wo der abge­blieben ist.

Mir jeden­falls ging’s jet­zt richtig gut. Mein neuer Plan hieß jet­zt: Tem­po hal­ten, den — von mir als unver­mei­dlich erwarteten — Ein­bruch so lange wir möglich hin­auszögern. In der Tat kon­nte ich dann auf dem Beginn der zweit­en Runde das Tem­po sog­ar noch erhöhen: Jet­zt lag der Schnitt eher um die 5’10. Die Strecke wird ja in Mainz nach dem Passieren der Rhein­gold­halle immer schla­gar­tig leer: Von den 8021 Zielein­läufen in diesem Jahr ent­fall­en 6776 auf den Halb­marathon, nur 1245 laufen den Marathon (und davon wiederum sind ger­ade ein­mal 170 Frauen — beim Halb­marathon ist der Geschlechterun­ter­schied nicht ganz so krass). Auch auf der zweit­en Runde machte mir das Laufen noch viel Spaß. Jet­zt kam auch noch — psy­chol­o­gisch ganz vorteil­haft — hinzu, dass ich kon­tinuier­lich Läufer über­holte (mit Aus­nahme der frischen Staffel­läufer natür­lich, von denen sind einige an mir vor­bei gezo­gen). Da es imme noch so aus­geze­ich­net vor­ran ging, modi­izierte ich meinen Plan noch ein­mal. Vor­sor­glich (ohne wirk­lich davon überzeug zu sein) hat­te ich mor­gens noch 4 Ham­mergels mitgenom­men und in die Hose gesteckt. Die kamen jet­zt peu-a-peu zum Ein­satz. Das erste Gel irgend­wo bei Kilo­me­ter 24 oder 25, in Sichtweite der näch­sten Verpfle­gung. Denn für die Dinger braucht man ordentlich Wass­er. Davon hat­te ich­heute eh’ schon einiges geschluckt: Bei jed­er Verpfle­gungsstelle habe ich mir versorgt,die Hitze wollte ich nicht als Entschuldigung gel­ten lassen. Wo möglich, habe ichauch meine Mütze ins küh­le Nass (das war wirk­lich ver­gle­ich­sweise sehr kühl) getaucht und so meinen Kopf etwas abgekühlt — auch wenn das nie lange vorhält. Die Entschei­dung für den Gelein­satz war aber sehr richtig: Die DInger geben ein­fach noch ein­mal einen Schub — sie ermöglichen, wirk­lich das Let­zte aus den Muskeln her­auszu­holen.

Die Schleife durch Hes­sen, durch Kos­theim, finde ich ja immer sehr schön. Gut, viel Betrieb ist da nicht. Aber dafür läuft man auf kleineren Straßen durch die Wohnge­bi­eten. Und unheim­lich viele Anwohn­er sind im Vor­garten und feuern an. Oder spenden mit dem Wasser­schlauch eine kleine Dusche — bei mit­tler­weile gut 25 °C (und weit­er­hin wolken­losem Him­mel) eine sehr willkommene Abküh­lung. Der Rück­weg nach Mainz wurde mir dann aber recht lang: Die let­zte Wasser­sta­tion lag schon wieder zwei Kilo­me­ter zurück, ich hätte ein paar Schluck Feuchtigkeit ver­tra­gen. Dann auch noch der Anstieg auf die Theoor-Heuss-Brücke. Allein die Tat­sache, dass ich weit­er­hin über­holte, gab mir noch etwas Kraft. Hin­ter der Brücke fiel ich dann aber doch in ein kleines Loch: Jeztt wurde es richtig schw­er. Und bis zur Verpfle­gung bei Schott zog es sich — die Rheinallee ist da, mit den paar ver­s­teuten Läufern, auch nicht wirk­lich span­nend. Doch irgend­wie hielt ich durch, auch wenn ich schon mit dem Abbruch-Gedanken spielte.

Auf dem Werks­gelände kam dann das näch­ste Gel zum Ein­satz. Zum Glück spielte mein Magen mit: Die Ham­mergels — heute hat­te ich nur “Espres­so” dabei — schmeck­en zwar auch nicht beson­ders leck­er, sind für mich aber sehr gut verträglich. Trotz Energi­eschub durch Gl pen­delte sich der Schnitt wieder etwas tiefer ein — bzw. es wurde härter, das Tem­po hoch zu hal­ten. Die Schleife durch das Mom­bach­er Gewer­bege­bi­et ging dann über­raschend schnell herum — davor hat­te ich eigentlich mehr Angst. Mom­bach selb­st war dann ok, langsam ging es allerd­ings doch spür­bar an die Sub­stanz. Vor allem der Weg in die Alt­stadt zog sich jet­zt deut­lich mehr als auf der ersten Runde. Und das Tem­po sank Kilo­me­ter für Kilo­me­ter ein biss­chen — unaufhalt­sam, aber in kleinen Schrit­ten. In der Bauhausstraße dann schließlich das vierte Gel — bei Kilo­me­ter 39 eigentlch fast zu spät. Ich glaube aber, das war gar nicht schlecht. So hat­te ich näm­lich noch ordentlich Kraft und Pep die riesige Stei­gung von geschätzten zwei Metern der Lang­gasse hochzu­laufen und vor allem in Angesicht des großen Pub­likums nicht doch noch Geh­pausen ein­le­gen zu müssen. Und wenn man zum zweit­en Mal über den Guten­berg­platz ist, dann hat man es eigentlich geschafft — keine zwei Kilo­me­ter sind es dann noch. Noch schnell die Augutin­er­straße hin­unter, am Süd­bahn­hof dies­mal gle­ich links zurück zur Rhein­gold­halle. Der let­zte Kilo­me­ter, die schön lange Ziel­ger­ade, zieht sich natür­lich etwas. Aber hier ist man ja nicht allein. Und nach 3:49:32 war ich dann unter dem Ziel­bo­gen durch.

Jet­zt fing das wahre Lei­den aber erst an. Meine Beine waren nci­ht sehr damit ein­ver­standen, plöt­zlich nicht mehr in Bewe­gung zu sein. Ich blieb zwar beim Gehen, merk­te aber tortz­dem, dass die Muskeln völ­lig leer waren und von Schritt zu Schritt steifer wur­den. Und auch der REst des Kör­pers wusste offen­bar nicht so recht, was er mit der plöt­zlichen Änderung machen sollte. Ein Krug kaltes Wass­er über den Schädel tat ganz gut. Eigentlich wol­tle ich ja auch was trinken, aber das ging kaum noch. Wass­er kon­nte ich nich mehr sehen, Fru­bi­ase war jet­zt ein­fach nur eklig, Cola ging halb­wegs. Essen ging schon gar nicht … Da mein Baum­woll-T-Shirt und meine Hose ja von Schweiß und Wass­er trief­nass waren und ich im Ziel auch nie­mand Bekan­ntes traf, bin ich ziem­lich bald die paar Hun­dert Meter nach Hause stolziert. Dort wollte ich mich eigentlich nur mal kurz Hin­set­zen, die Kom­pres­sion­sstrümpfe auszuziehen. Jet­zt aber entsch­ied mein Kreis­lauf, dass er die Schnau­ze voll hat­te und sack­te erst ein­mal deut­lich weg. Ein paar Minuten später war ich dann weigstns wieder fit genug für die Dusche … Aber so richtig erholt war ich erst zwei Stun­den später wieder — und freue mich schon auf den sicher­lich mörderischen Muskelkater, den ich mor­gen haben werde .. Aber immer­hin gehörte ich nicht zu den dur­chaus zahlre­ichen Läufern, die im Kranken­wa­gen lan­de­ten — die Ret­tungs­di­en­ste hat­ten näm­lich heute so einigs zu tun.

Also: Marathon ohne entsprechen­des Train­ing geht dur­chaus mal. Ist aber auch — im Ver­gle­ich zur erlaufe­nen Zeit — ziem­lich anstren­gend …

Und noch ein paar Bilder:
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Vom Wert des Trainings: 5. Maaraue (Ultra-)Marathon Mainz

Endlich! Schon einige Male wäre ich gerne beim Maa­raue Marathon Mainz (MMM) mit­ge­laufen, aber bish­er hat es ter­min­lich nie geklappt. Heute war also Pre­miere für mich. Die anderen waren schon einge­spielt, die meis­ten waren schon mal dabei.
Der MMM ist ein typ­is­ch­er pri­vat organ­isiert­er Ein­ladungslauf, erst­mal zum 40. Geburt­stag von Sascha Kauf­man, der jet­zt immer wieder dazu ein­lädt. Das ist denkbar ein­fach: Gelaufen wird fünf Mal die klas­sis­che Dreibrück­en­runde. Start war heute erst­mals auf dem Park­platz an der Main­spitze — bish­er immer klein­er gewe­sen. Bei der 5. Auflage waren über zwanzig Läufer und Läuferin­nen dabei.

Im Grunde ist das ein­fach ein gemein­samer — mehr oder weniger — Train­ingslauf. Auf­grund der “offiziellen” Auss­chrei­bung in Saschas Blog zählt das aber als wer­tungs­fähige Laufver­anstal­tung und wird auch in die Sta­tis­tik der DUV aufgenom­men — für manche Marathon­samm­ler ist das ja nicht ganz unwichtig.

Jeden­falls wird für den MMM kein großes Organ­i­sa­tion­sklim­bim ver­anstal­tet: Die Strecke wird während der ersten Runde noch mit ein paar Pfeilen markiert, aber nicht abges­per­rt. Ist aber auch kein Prob­lem, für so ein paar Hanseln. Die sich noch dazu weit verteilen, spätestens nach der ersten Runde. Dieses Mal gab es, weil Sascha sich um Spon­soren bemüht hat (Start­geld wird ja keines genom­men), sog­ar noch eine kleine Startertüte — mit Werbe­ma­te­r­i­al vom Hochwald­marathon, von GO-Mainz — inkl. ein paar Gum­mibärchen, eine klein­er Dose Pull­moll und eini­gen Traubezuck­ern aus der Rochus-Apotheke in Mom­bach. Ach ja, GO spendierte auch noch eine kleine Dose “Vino friz­zante bian­co di Italia” — nicht ger­ade ein typ­is­ches Läufer­getränk. Und Start­num­mern gab es tat­säch­lich auch — so durfte ich öfters erk­lären, was wir da eigentlich treiben …

Ges­tarten sind wir mit min­i­mal­ster Verzögerung unter Beobach­tung der Presse um kurz nach 10 Uhr. Dann ging es eben los auf die mir ja aus­re­ichend gut bekan­nte Runde, durch Kos­theim an den Rhein, zum Kas­tel, unter der Theodor-Heuss-Brücke durch und hin­ter der DLRG hin­auf auf die Brücke. In Mainz dann ganz lang­weilig (…) am Ufer ent­lang hoch zur Eisen­bahn­brücke und hinüber auf die Main­spitze. Das Ganze dann fünf Mal — und fer­tig ist der Mini-Ultra.

Die erste Runde war schön gemütlich, irgend­wo zwis­chen 5:20 und 5:30 (auf die Uhr habe ich kaum geschaut). Auch die zweite Runde unge­fähr im gle­ichen Tem­po hat noch richtig viel Spaß gemacht. Auf der drit­ten Runde — ich war immer noch im sel­ben Tem­poge­bi­et unter­wegs — hat­te ich dann die große Ehre, für wenige hun­dert Meter die Spitze des Lauf­feldes zu sein — der eigentliche Frontläufer hat am Auto seine Schuhe gewech­selt. Aber Lauf­feld ist eh’ über­trieben — spätestens zu diesem Zeit­punkt war von den aller­meis­ten Läufern hin­ter uns nichts mehr zu sehen.

Das ging bei mir ganz gut bis in die vierte Runde. Klar, inzwis­chen wurde das Tem­po anstren­gend — etwas anderes hat­te ich auch nicht erwartet. Es ging also nur noch darum, den Ein­bruch möglichst lange hin­auszuzögern. Auf der vierten Runde, ziem­lich genau drei Stun­den war ich inzwis­chen unter­wegs, war es dann soweit. Die Muskeln macht unheim­lich schnell schlapp. Und auch mein Energiehaushalt ging rapi­de dem Ende zu — also erst ein­mal eine Geh­pause. Die zog sich etwas … Kurz vor Ende der vierten Runde habe ich dann ern­sthaft über­legt, es damit und also mit 36 Kilo­me­tern gut sein zu lassen. Aber irgend­wie hat­te ich keine Lust, abzubrechen. Also zog ich weit­er — immer im Wech­sel zwis­chen Gehen und Laufen. Beim Laufen merk­te ich zunehmend, dass mein Kreis­lauf nicht mehr der sta­bil­ste war. Offen­bar hätte ich doch unter­wegs zwis­chen­durch mal Energie zuführen sollen, und nicht nur ein paar Schlucke Wass­er nehmen.

Mit­tler­weile ging mir (und nicht nur mir) auch der Wind gehörig auf den Weck­er: Die stür­mis­chen Böen zer­rten nicht nur an Klei­dung und Start­num­mer, son­dern auch an den Ner­ven. Ein paar Mal wurde ich dann auch noch über­holt — aber erstaunlich, wie lange das gedauert hat. Immer­hin, irgend­wann war ich wieder auf der Mainz­er Seite — ein Ende also in Sicht. Mit dem bewährten Wech­sel zwis­chen Gehen (natür­lich bei allen Brück­e­naufgän­gen) und Laufen kam ich dann schließlich noch ins Ziel — nach 4:40:36. Keine beson­dere Glan­zleis­tung … Aber so ist das eben, wenn man beim Train­ing schlud­ert und eher wenig Lust auf die lan­gen Läufe hat — das rächt sich. Garantiert. Mor­gen werde ich wohl einen ganz net­ten Muskelkater haben …

Die ersten Ergeb­nisse sind auf diesem Bild zu bewun­dern.
Mein Streck­en­pro­tokoll (der Fore­run­ner hat 45,6 km gemessen) bei run­sat­ur­day.
Und Mein Tem­po-Dia­gramm:

Tempokurze des 5. MMM am 5.2.2011

Tempo/Zeit

Der Moment, an dem ich gegen die Wand gelaufen bin, wird ziem­lich deut­lich …

Karnazes: Endurance 50 (oder: 50/50)

nun ja. Ent­ge­gen Kar­nazes’ Darstel­lung ist die Idee, Marathons in Serie zu laufen, wed­er extrem noch neu noch gar lebens­bedrohlich. Das einzige, was ihn von anderen Unternehmen unter­schei­det, ist die viele Fahrerei durch die USA. Und natür­lich die Ver­mark­tung mit/für The North Face — nicht zufäl­lig sind alle seine “Lieblingsaus­rüs­tungs­ge­gen­stände” von dieser Marke. Das Laufen der Marathons wird mit zunehmender Dauer auf der “Tournee” auch immer unwichtiger. Stattdessen entwick­elt sich das Buch vom Erfahrungs­bericht des “Endurance 50”-Unternehmens zu einem all­ge­meinen Lauf­buch mit dem üblichen Geplaud­er über die Vorteile des Laufens und wie mans richtig macht. Im Gegen­satz zum “Ultra­ma­rathon Man” also über­haupt nicht empfehlenswert — wed­er in Bezug auf die tat­säch­liche Leis­tung noch in Bezug auf die Lek­türe­qual­ität.

Sich­er nicht ohne Grund fehlt jed­er Ver­weis auf andere Etap­pen­läufe, von den großen Unternehmen wie dem Transeu­ropa-Footrace oder dem amerikanis­chen Pen­dant ganz zu schweigen — die Leute dort laufen wesentlich mehr als einen Marathon am Tag und das auch über länger als 50 Tage. So eine Rel­a­tivierung der eige­nen Leis­tung kann Kar­nazes, der ja gerne mit der (freilich nicht von ihm stam­menden) Behaup­tung, der “fitteste” Mann der Welt zu sein, koket­tiert, nicht gebrauchen. Die sportliche Leis­tung finde ich jet­zt nicht so über­ra­gend — fast alle Marathons lief Kar­nazes im Bere­ich zwis­chen 3:30 h und 4:15 — das ist nicht beson­ders schnell. Dafür macht er schöne Anfänger­fehler — küm­mert sich nicht rechtzeit­ig um eine Blase, was sich — wenn man sein­er Beschrei­bung glauben darf — bis kurz vor die Fußam­pu­ta­tion ausweit­et …

Dean Kar­nazes: 50/50. Secrets I Learned Rnning 50 Marathons in 50 Days — and How You Too Can Achieve Super Endurance! (mit Matt Fitzger­ald). New York 2009 [2008]. 286 Seit­en. ISBN 978–0‑446–58184‑4.

Leidenschaft Laufen

“Nichts ist so edel, tief und irra­tional wie unser Laufen — und nichts so wild und urtüm­lich.” (24)

So schreibt es Bernd Hein­rich, (Ultra-)Marathoni und Biologe. Er hat eines der besten Büch­er über seine bei­den Lei­den­schaften geschrieben: Die Natur­welt und das Laufen. So heißt es auch: “Laufen. Geschichte ein­er Lei­den­schaft”. Und der Unter­ti­tel trifft es sehr genau: Denn um Lei­den­schaften geht es hier. Nicht nur um das Laufen als Sport, als Fort­be­we­gungs­form oder als Wet­tkampf, son­dern auch um Biolo­gie und ihre Läufer, die Käfer zum Beispiel, oder auch andere Aus­dauer-Tiere wie die Zugvögel. Denn Hein­rich ist nicht nur Marathon- und Ultra­läufer erster Klasse (Anfang der 80er lief er US-Reko­rde über 100 Kilo­me­ter (in 6:38:21) und im 24-Stun­den-Lauf z.B., hat auch einige gute Marathon-Zeit­en deut­lich unter 2:30 erlaufen), son­dern auch Biologe — offen­bar genau­so mit Leib und Seele, wie er das Laufen ver­fol­gt …

Der biol­o­gisch gebildete und geschulte Hin­ter­grund diese Läufers macht sich also bemerk­bar. Und zwar auf sehr angenehme Weise. Schon die erste Schilderung eines Mor­gen­laufes ist phan­tastisch (wahrhaftig!) — nicht nur, was er alles sieht — das ist offen­bar Mon­tage viel­er, jahre­langer Läufe — son­dern auch die Genauigkeit nicht nur des Erkennes & Beobacht­ens, son­dern auch des Ken­nens und Benen­nens — da merkt man den Natur­wis­senschaftler sehr deut­lich … Aber das ist trotz­dem (oder ger­ade deswe­gen) so anschaulich beschrieben, dass man den Läufer und seine Umge­bung wirk­lich vor sich sieht. Und am lieb­sten sofort auf­brechen möchte, genau so zu laufen — aber draußen reg­net es ger­ade, also lieber noch etwas weit­er lesen.

Ich füh­le mich gut und spüre, wie mir frische Kräfte erwach­sen durch die Erwartung der Dinge, die hin­ter der näch­sten Biegung mein­er har­ren, durch die Erin­nerung an frühere Läufe und gele­gentlich auch durch die Vor­freude auf ein Wet­tren­nen in der Zukun­ft. (18)

Hein­rich verquickt hier sehr schön seine per­sön­liche Lauf­bi­ogra­phie bis zu ihrem Höhep­unkt, den US-Meis­ter­schaften im 100-Kilo­me­ter-Lauf in Chica­go 1981 mit biologischen/physiologischen Beobach­tun­gen und Erken­nt­nis­sen zum Aus­dauer­sport. Davon, von dem Wet­tkampf und seinen Vor­bere­itun­gen, aus­ge­hend blickt er zurück bis in seine frühe Kind­heit in Deutsch­land und Ameri­ka, seine frühe Begeis­terung für das Laufen draußen in der Natur und sogle­ich auch die Beobach­tung dieser Natur, seine ver­schiede­nen Ansätze, Laufen als Sport zu betreiben. Und dazwis­chen und mit­ten­drin ganz viel (für mich) Span­nen­des und Inter­es­santes aus der Tier­welt — über Zugvögel, Insek­ten, Hominiden, Gabel­böcke und Ziegen oder Gepar­den gle­icher­maßen. Immer unter dem Aspekt: Wie schaf­fen es diese Arten, ihre beson­deren Fähigkeit­en hin­sichtlich der Fort­be­we­gung so zu erbrin­gen, welche Voraus­set­zun­gen bilde­ten sie im Laufe der Evo­lu­tion für große Aus­dauer- oder kurze Hochgeschwindigkeit­sleis­tun­gen aus. Und Hein­rich, der bei Insek­ten auch auf diesem Gebi­et als Biologe geforscht hat, ver­sucht dann, dieses Wis­sen auf den men­schlichen Läufer zu über­tra­gen, zum Beispiel seine Energiev­er­sorgung vor und während des Ultra­laufes nach diesen Erken­nt­nis­sen zu gestal­ten (er benutzte dann bei seinem 100er auss­chließlich Preisel­beer­saft …). Und als Neben­pro­dukt fällt ein schön­er Ver­gle­ich der bei­den Muskelfaser­typen ab:

Ein anaer­ober FT-Muskel [Fast Twicht­ing] braucht keine Vork­er­hun­gen für eine rasche Ver­sorgung mit Sauer­stoff oder Brennstoff, für den Abtrans­port von Abfall­stof­fen und für Tem­per­atur­reg­ulierung. Er ist wie ein Ren­nau­to, das dafür gebaut ist, sehr schnell über die Strecke zu jagen, und daher ganz anders aussieht als ein Wohn­mo­bil, das man für eine Wüs­ten­durch­querung herg­erichtet hat. (89)

Hein­rich selb­st hat das Laufen wohl, so schildert er es, sein ganzes Leben mit Lust betrieben — als Kind in Deutsch­land genau­so wie im Inter­nat in Ameri­ka, wo er dann auch zum Cross-Läufer wird. Auch am Col­lege lan­det er bei den Läufern, trotz ver­schieden­er Ver­let­zun­gen. Und später wird er dann fast neben­bei zum Marathoni mit ein­er Zeit von 2:25.

Ab dem 15. Kapi­tel geht es dann auf die Ziel­ger­ade: Der 100er von Chica­go rückt jet­zt endgültig in den Fokus: Das Train­ing, die Vor­bere­itung, die Ernährung und der eigentliche Lauf als Schlusssprint wer­den ver­gle­ich­sweise knapp dargestellt. Sehr sym­pa­thisch aber auch die dezi­dierte Anti-Helden-Hal­tung Hein­richs, der seine Leis­tung nicht großar­tig her­ausstellt, son­dern auch die Ziele ander­er Läufer immer wieder betont. Ganz wesentlich ist aber auch: Laufen ist immer ein Freude, eine Lei­den­schaft, ein Genuss — auch wenn es mal wehtut, die Beloh­nung durch und im Erleben der Erfahrun­gen des Laufens und des Läufers wiegen den Schmerz mit Leichtigkeit wieder auf.

Ins­ge­samt also: Ganz klar eines der schön­sten Büch­er über das Laufen, das ich kenne. Wahrschein­lich, weil das eigentliche Laufen an sich (des Men­schen) gar nicht so sehr im Vorder­grund ste­ht. Son­dern eher die Begeis­terung für die laufende Fort­be­we­gung. Oder, noch all­ge­mein­er, die Begeis­terung über aus­dauernde Ent­fer­nungsüber­brück­un­gen, egal wie oder durch wen — so lange es mit eigen­er Kör­perkraft und ohne tech­nis­che Hil­f­s­mit­tel geschieht. Noch dazu ein kluges, sym­pa­this­ches, über­haupt nicht ange­berisches Buch. Absolute Leseempfehlung!

Bernd Hein­rich: Laufen. Geschichte ein­er Lei­den­schaft. München: List Taschen­buch 2005. 349 Seit­en. ISBN 978–3‑548–60564‑7.

Wigald Boning läuf nachts — und bekennt sich dazu

Und er tut das, das Beken­nen natür­lich, in einem net­ten Buch: “Beken­nt­nisse eines Nacht­sportlers”.
Das ist run­dum unter­halt­sam und amüsant, aber eher schmun­zel­nd als — wie der Klap­pen­text ver­heißt — im Sinne eines “Lach­muskel­train­ing”. Sooooo lustig finde ich seine auto­bi­ographis­che Schilderung seines sportlichen Lebens, der Ver­suche, das mit Beruf und Fam­i­lie in Ein­klang zu brin­gen, auch wieder nicht. Aber es ist ein sehr lock­er­er Text. Und auch das Laufen geschieht eher neben­bei , der Marathon geschieht in ein paar Zeilen, der erste Ultra hat immer­hin einige Seit­en, in denen es aber nicht so sehr ums Laufen als um das Drumherum geht. Und um ganz viel Leichtsinn. Zumin­d­est so wie Bon­ing es erzählt, ist er extrem unvor­sichtig und draufgän­gerisch, riskiert Leib und Leben (übri­gens nicht nur seines) — es sei mal dahingestellt, ob das der Real­ität entspricht oder ob er nur gerne drama­tisiert. Aber ver­führererisch und eben leichtsin­nig ist es doch — “Und zurück kammt man immer, irgend­wie.” ist offen­bar sien Haupt­mot­to gewor­den — und das ist schon gren­zw­er­tig, finde ich …

Mein Faz­it daher: Das ist eher ein Lauf­buch für Nichtläufer — oder ein Sport­buch für Bon­ing-Fans. Und eine ganz angenehm-nette Bet­tlek­türe — ohne großen Anspruch und beson­deren Erken­nt­niswert.

Wigald Bon­ing: Beken­nt­nisse eines Nacht­sportlers. Rein­bek: Rowohlt 2007. 299 Seit­en. ISBN 9783–499-62192–5

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