Mein Zweirad-Fuhrpark ist noch ein kleines bisschen gewachsen: Seit kurzem bin ich jetzt auch noch im Besitz eines schicken Singlespeed-Rades. Das einfache und günstige Modell, ein Leader FF1 von Tretwerk, konnte ich quasi neu aus zweiter Hand erwerben (und dabei noch ein paar Euro sparen): ungefahren, aber aufgebaut (allerdings hatte der Vorbesitzer die Vorderradbremse falsch montiert). Und nach nach den ersten Test kann ich sagen: So ein Rädchen macht eine Menge Spaß. Man muss beim Fahren noch weniger „denken“, sondern tritt einfach in die Pedale. In der Stadt funktioniert das hervorragend. Am Wochenende habe ich es sogar für zwei, drei kurze Strecken im Odenwald getestet und dabei festgestellt, dass sogar das geht – wenn man kleine Umwege zur Vermeidung der steilsten Anstiege in Kauf nimmt ;-). Aber in erster Linie habe ich das natürlich für die (fast) flache Innenstadt von Mainz erworben. Und da flutscht es mit dem Ding einfach. Und schick ist es noch dazu (vor allem, nachdem ich alle – und das waren wirklich viele! – Aufkleber entfernt habe …)
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Der Läufer und der Wolf – das ist schon einmal eine Ansage, die Mark Rowlands da im Titel seines Buches macht. Und leider ist sie etwas irreführend. Das ist aber auch schon fast der größte Makel, den ich an seinem Werk beim Lesen entdecken konnte.
Mark Rowlands entwickelt hier jedenfalls so etwas wie eine Philosophie des Laufens beim Laufen oder durch das Laufen. Laufen, darauf legt er immer wieder Wert, hat in der modernen Welt für den modernen Menschen eine besondere Stellung. Denn das Laufen ist Zweckfreiheit in Reinform. Hier, beim oder im Laufen, findet Rowland einen echten intrinsischen Wert, der in einer Zeit, die sich als instrumentelle Periode beschreiben lässt, eine große Ausnahme ist. Und – das ist ein wenig paradox – darin liegt gerade der Wert oder die Faszination des Laufens: Dadurch, dass es intrinsisch motiviert ist – also nicht durch Überlegungen wie längeres/gesünderes Leben, besseres Aussehen, schnellere Zeiten – zeigt uns das Laufen, dass es auch in einer (fast) durchgehend instrumentell organisierten und verfassten Welt intrinsische Werte geben kann und auch gibt:
Laufen ist das verkörperte Erfassen von intrinsischem Wert im Leben. Das ist der Sinn des Laufens. Das ist es, was Laufen wirklich ist. (227)
Laufen ist einer der Momente im Leben, wo die Zwecke und Ziele entfallen. (216)
Und das führt wiederum zu einer weiteren, eminent wichtigen Beobachtung über den Status des Laufens:
Laufen […] ist ein Weg, um zu verstehen, was wichtig oder wertvoll im Leben ist. (15)
Das entwickelt Rowlands in einer Art Free-Flow-Philosophieren, einem Freistil-Denken: Ereignisse, Abschnitte seiner Biographie, das Tun des eigenen Lebens dienen ihm als Anlass und Impuls, über größere Zusammenhänge nachzusinnen (und die Leserinnen daran teilhaben zu lassen). Manchmal einfach so, manchmal mit System, manchmal mit Rückbezug (aber eher allgemein, nicht speziell oder ausgesprochenn detailliert) auf die Philosophiegeschichte. Als wesentlich zeigt sich in Der Läufer und der Wolf, das neben anderem auch ein Läuferbuch ist (mit dem typischen Abschreiten der eigenen Läuferkarriere – dem Laufen in der Kindheit, dem Training, dem ersten Marathon, den Hunden („Wölfe“!) als Motivatoren fürs Laufen), die Beobachtung der Prozesshaftigkeit der Zeit, also: des Alterns. Zu den typischen Eigenheiten eines Laufbuchs gehört auch die wiederholte Beschwörung eines „Herzschlag des Laufes“, die Rowland immer wieder erzählt: Jeder Lauf hat für sich seinen eigenen Herzschlag, sein eigenes Leben, das es zu entdecken, zu spüren und zu erfahren gilt – ein Moment übrigens, an dem der Intellekt seine Grenzen aufgezeigt bekommt.
Außerdem beobachten Rowlands noch eine Veränderung in Stufen beim und durch das Laufen auf der Langstrecke: Er beschreibt das als spinozistische, cartesianische, humesche und sartresche Phasen des Laufens, die während dem Laufen zu einer zunehmenden „Ich-Auflösung“ führen und den Läufer, das ist natürlich der entscheidende Punkt, Freiheit schenken, ihn (von sich und der Welt) befreien.
Wenn ich denke, erfahre ich mich selbst normalerweise dabei. Beim Langstreckenlauf erfahre ich mich nicht beim Denken, weil die Kontrolle, die ich über mich selbst habe, weniger wird. An die Stelle des Denkens treten Gedanken, anscheinend ganz und gar nicht meine eigenen, die aus dem Nirgendwor kommen, völlig unerwartet, und gleich wieder im Dunkel verschwinden. (77)
Durch dieses ganze Bündel an dem Laufen spezifisch eigenen Erfahrungen (Zweckfreiheit, Herzschlag, Be-Freiung) bekommt das Laufen seinen spezifischen Wert für den modernen Menschen und seine Stellung im Leben: Das Laufen kann (nicht muss!) uns den „inneren Wert des Lebens“ nicht unbedingt zeigen, aber zumindest aufzeigen oder vorführen:
Das Laufen, so meine These, hat einen inneren Wert. Und deshalb kommt man, wenn man läuft und es aus dem richtigen Grund tut, mit dem inneren Wert des Lebens in Berührung. (14f.)
Und damit kann das Laufen ja ungeheuer viel – nämlich nicht weniger, als den Sinn des Lebens zu erschließen:
Aber Laufen ist ein Weg, und als solcher ermöglicht das Laufen es uns, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu beantworten (15)
Mark Rowlands: Der Läufer und der Wolf. 2. Auflage. Berlin: Rogner & Bernhard 2014. 240 Seiten. ISBN 9783954030484.
Langstreckenlaufen ist eine zielorientierte Leistung, die zeigt, wie bankrott das Konzept der zielorientierten Leistung ist. (39)
Trailläufer und ‑läuferinnen sind bei Filmmacherinnen gerade sehr beliebt. Kein Wunder, gibt es doch schöne Bilder fast garantiert, und dazu gerne noch eine Heldengeschichte mit oder ohne Scheitern, mit oder ohne Opfer – das kann man immer schön (in Bildern) erzählen … (und nicht zuletzt so Werbung machen für den Sponsor der Läuferin – hier ist es mal nicht Salomon, sondern Nike). So hat’s auch Billy Yang gemacht, der Sally McRae bei den Western States begleitete und daraus mit viel Pathos seinen Film „Western Time“ gemacht hat:
Beim Klicken auf das und beim Abspielen des von YouTube eingebetteten Videos werden (u. U. personenbezogene) Daten wie die IP-Adresse an YouTube übertragen.
ein schöner kurzer Film über die Schönheiten des Laufens:
ich bin ja überzeugt, dass man das „Trail“ dabei durchaus streichen kann, das ganze – die Idee der „journey“ und die Schönheit – gilt fürs Laufen überhaupt. Aber schönere Bilder gibt’s wahrscheinlich beim Trailen. Vor allem natürlich im Hochgebirge – aber wer ist da schon?
Beinahe hätte ich das Buch noch auf der ersten Seite zugeklappt und in den Papierkorb geschmissen. Da steht nämlich so hirnverbrannter Unsinn wie:
„Hol dir den Siegerkranz, oder stirb bei dem Versuch, ihn zu erlangen. Verlieren heißt sterben, gewinnen heißt leben. […] Sport ist egoistisch, weil man egoistisch sein muss, um kämpfen und leiden zu können, um die Einsamkeit und die Hölle zu lieben. […] Denn verlieren heißt sterben. Und du kannst nicht sterben, ohne alles gegeben zu haben, ohne dass Schmerzen und Wunden dich zum Weinen gebracht hätten. Du darfst nicht aufgeben. Du musst kämpfen bis zuletzt. Denn Ruhm ist das Allergrößte, und dein einziges Ziel muss sein, ihn zu erlangen oder auf der Strecke zu bleiben, nachdem du alles gegeben hast. […] Es ist an der Zeit zu leiden, es ist an der Zeit zu kämpfen, es ist an der Zeit zu siegen. Lauf oder stirb! (9f.)
Zum Glück – und das ist wirklich ein Glück – ist es mit solch markig-martialischer gewalt- und kriegsverherrlichender Sprücheklopferei dann auch schnell wieder vorbei. Denn der Rest von Lauf oder stirb (der Titel hätte mich ja warnen können) ist ein ausgezeichnetes Laufbuch.
Da geht es nämlich wirklich um das Laufen. Und natürlich um Kilian Jornet. Das führt dazu, dass „Laufen“ hier manchmal etwas anderes ist als das, was „normale“ Menschen darunter verstehen. Jornet, in den Bergen geboren (der Hinweis darf nie fehlen …), schon früh von seinen Eltern in das Wettkampfgeschehen der Bergsportarten, insbesondere des Skibergsteigens, eingeführt, läuft nämlich vor allem sehr extrem. Fast nur im Gebirge, gerne mal ohne Weg und Steg, gerne mal weit über das hinausgehend, was vernünftig ist und mit halbwegs realistischer Risikoeinschätzung noch zu vertreten ist. Nachahmen sollte man das also nicht unbedingt. Lauf oder stirb hat aber auch gar nicht Anspruch, ein Anleitungsbuch zu sein: Es gibt keine Trainingspläne (die werden nicht einmal erwähnt), keine Ausrüstungstipps, es ist keine Ernährungsbibel und auch kein Wegweiser zu besonders tollen Trails. Stattdessen erzählt Jornet wirklich vom Laufen und der Faszination daran: Der Faszination des Draußen-seins: Dem Erleben der Umwelt, der Berge und Gebirge, der Pflanzen und der Tiere, dem Wetter und der Aussichten, den Naturschauspielen.
Der Faszination der körperlichen Erfahrung: Das wörtliche erlaufen neuer Horizonte, neuer Höhen und Gebiete.
Der Faszination der Herausforderung von Grenzen und dem Überschreiten.
Der Faszination des Laufens nicht nur als Bewegungform, als Ablauf von Bewegungen (auch das spielt aber eine Rolle), sondern auch als eine Art Existenz, ein psychischer Zustand, eine Art Sucht.
Und, nicht zu vergessen: die Faszination des Gewinnens.
Denn der Jornet, der sich hier präsentiert, läuft um zu siegen, er ist ein (reiner) Wettkampfläufer: Läufe, die der Vorbereitung, dem Training dienen oder einfach so unternommen werden, spielen hier kaum eine Rolle. Es geht ums gewinnen. Oder sie dienen dazu, andere zu besiegen. Im direkten Vergleich wie beim UTMB oder im Unterbieten von Bestzeiten (zum Beispiel beim TRT oder auf dem Kilimandscharo): Auf das Siegen kommt es an.
Ich genieße den Wettkampf. Jeden davon möchte ich gewinnen und dabei das Gefühl erleben, als Erster durchs Band zu laufen. Es ist wunderbar, nach der letzten Kurve in die Zielgerade einzubiegen und das Band am Ende zu erspähen. Mich noch einmal umzudrehen und zu verge- wissern, dass niemand mir diesen Moment nehmen kann. Nach vorne zu schauen, die Augen zu schließen und noch einmal Gas zu geben, um mich vom Publikum zum Sieg tragen zu lassen. In jenem Moment vergesse ich den Schmerz, spüre ich meinen Körper nicht mehr, sondern bin, von den Emotionen dieser letzten Sekunden erfüllt, ganz bei mir. Und dann fühle ich, wie mein schweißnasser Körper das Zielband zerreißt und es zu Boden fällt. (31)
Das macht Jornet allerdings nicht alleine, sondern ausgesprochen professionell mit großer Mannschaft, die schnell zwei Dutzend und mehr „Mitarbeiter“ umfasst. Das fand ich etwas schade, dass er diesen Umstand gerne etwas abtut: Natürlich sind die ihm wichtig – die Höflichkeit gebietet das, aber besonders detailliert oder intensiv geht er nicht auf sie ein, weder auf die Läufer, die ihm als Tempomacher dienen (er nennt das meistens „Trainer“), noch das Versorgungsteam und schon gar nicht der große mediale Zirkus. Dass sein Sponsor Salomon bei der Pyrenäenquerung auch einen Hubschrauber im Einsatz hatte, erfährt man hier nicht – an wenigen Stellen werden Kameraleute und Fotografen immerhin erwähnt.
Das soll jetzt überhaupt nicht seine Leistung schmälern, hätte vielleicht aber ein vollständigeres Bild abgegeben. Denn Jornet ist, wie vielleicht kaum ein anderer Trail-/Ultraläufer überhaupt, eine mediale Inszenierung, die sein Sponsor maßgeblich vorantreibt. Das mag, um wieder zum eigentlichen zurückzukommen, mit seinem Laufstil zusammenhängen: Laufen, das ist für Jornet ein „Tanz mit den Hindernissen“ (66). Dazu gehört auch, sich irrsinnig irgendwelche Hänge und Rinnen herabzustüren, über Grate zu brettern – und dabei noch locker und genießend auszusehen. Davon erfährt man auch in Lauf oder stirb viel. Und von dem, was in einem solchen Ausnahmeläufer während des Laufens vorgeht, wie er das Laufen, seine Umgebung und sich selbst wahrnimmt – das sind großartige Passagen wie diese hier:
Inmitten dieser Farbenpracht gleichen wir Tänzern, die sich im Rausch der Kraft fortbewegen. Wir spielen mit dem breiten, sich wellenförmig dahinschlängelnden Weg, der uns alles gibt, was wir brauchen, um Spaß zu haben. Jede Kurve, jedes noch so kleine Gefälle, jeder Sonnenstrahl, der uns trifft, belebt unser Tempo. Jede Ausrede ist recht, um die Schrittfrequenz meiner Beine zu erhöhen und zu spüren, wie meine Muskeln sich beim Abstoßen vom Boden zusammenziehen und während der Flugphase vollkommen entspannen. Meine Uhr zeigt mir an, dass ich mich mit sechzehn Stundenkilometern fortbewege. Ich fühle mich wirklich gut, und meine Füße würden den Untergrund am liebsten gar nicht berühren. Wir kommen mit großer Geschwindigkeit zwischen den Bäumen voran, fliegen förmlich mit leisem Schritt und gleichmäßiger Atmung, sodass uns nichts entgeht, was um uns herum passiert. (62)
Natürlich gehört auch der Schmerz dazu, die Überwindung, das Lösen von Problemen – sei es der Versorgung, der Orientierung oder der Muskulatur, die vielleicht nicht ganz so unternehmungslustig ist.
Die Besessenheit, mit der sich Jornet dem Laufen verschreibt, ist sicher nicht ganz üblich. Nicht ganz durchschnittlich sind aber auch seine Voraussetzungen. Für ihn ist es vor allem die Psyche, die ihn zum Gewinner macht. Das ist natürlich mindestens Understatement, eigentlich sogar etwas geschummelt. Denn natürlich geht so etwas – Spitzenleistungen wie der mehrfache Sieg beim UTMB oder ähnliches – nicht ohne entsprechende physiologische Voraussetzungen. Aber man sollte bei einem Läuferbuch vielleicht auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Denn unabhängig von meinen kleinen Einwänden1 ist Lauf oder stirb ein tolles Buch, dass die grandiosen Erfahrungen, die man – ob man so schnell, weit und extrem läuft wie Jornet oder wie ich etwas gemäßigter 😉 – beim Laufen immer wieder machen kann, sehr anschaulich und geradezu mitreißend beschreibt.
Kilian Jornet: Lauf oder stirb. Das Leben eines bedinungslosen Läufers. München: Malik 2013. 222 Seiten. ISBN 9783890297644.
- Dazu gehört übrigens auch noch die Kritik am etwas schlampigen Lektorat, dass doch tatsächlich mehrmals (S. 15 u.ö.) Galizien statt Galicien stehen lässt! ↩
Ist das ein Laufbuch? Der Autorname lässt es vermuten: Scott Jurek ist einer der großen Ultraläufer. Aber Eat & Run – der Titel verrät es ja schon – dreht sich nicht nur ums Laufen. Im Gegenteil: Über weite Strecken geht es vor allem ums Essen. Nicht ohne Grund steht das im Titel vorne. Und zwar um das richtige Essen – nämlich die vegane Ernährung. Jurek schildert ausführlich seinen Weg von der „normalen“ amerikanischen Kost des mittleren Westens zur veganischen Ernährung. Das geschieht bei ihm vor allem aus (scheinbar) gesundheitlichen Gründen und weil er meint zu beobachten, dass er sich damit besser fühlt. Zugleich plagen ihn aber auch lange und immer wieder die Zweifel, ob er mit veganen Lebensmitteln ausgewogen, gesund und in allen Bereichen ausreichend genährt ist, um Ultras zu laufen.
Schade, dass das eigentliche Laufen dann so eine vergleichsweise kleine Rolle spielt. Sicher, die großen Ereignisse sind drin – etwa sein überraschender Sieg beim Western State 1999. Sein Kampf mit dem Badwater, mit dem der von Steve Friedman in eine angenhem lesbare, durchaus spannende und abwechslungsreiche Erzählung gebrachte Text einsetzt. Was mir aber oft fehlte: Was Jurek beim Laufen eigentlich erlebt, wie er das Laufen erlebt und wahrnimmt. Hier geht es dagegen oft um „Äußeres“ – sein Training, die Wettkämpfe, die Strecken auch mal, das aber schon recht oberflächlich oft.
Typisch für ein Laufbuch, gerade von Ultraläufern, ist aber ein wesentlicher Aspekt: Die permanente Überbietungslogik (hier aber gar nicht oder nur wenig reflektiert). Das muss immer noch etwas härter, noch etwas weiter, steiler, extremer und gefährlicher sein. Bei Jurek kommt noch hinzu: Mit immer mehr Handicap gelaufen – zum Beispiel wie den Hardrock 100 mit verletztem Knöchel -, also immer mehr Schaden an Leib und Seele in Kauf nehmend. Aber für „tough men“ ist das natürlich gar kein Problem, sondern eine Herausforderung. Viel weiter reicht der Horizont Jureks hier nicht – schade eigentlich. Schade auch, dass er sich auf’s Gewinnen beschränkt. Sein Scheitern spielt nur eine sehr kleine Rolle – die Aufgabe beim UTMB 2008 ist ihm etwas nur einen halben Satz wert und wird mit einer Verletzung entschuldigt. Das ist etwas paradox, weil er gerade zuvor seitenweise über seine heroische Großtat, den Hardrock 100 schon verletzt zu beginnen, schrieb. Aber es passt in den Eindruck, der sich bei mir immer mehr verstärkte: Es geht ihm hier nicht ums Laufen, sondern um das Gewinnen – also um das Besiegen anderer Läufer. Das passt nur wenig mit seiner gerne beschworenen Bescheidenheit zusammen – gerade wenn es in Sätzen gipfelt wie:
No one wants to win more than I do. (154)
Vernunft und Verstand darf man hier aber generell nicht zu viel erwarten.
Bei manchen Dingen reicht meine Geduld allerdings auch nicht: Zum Beispiel schreibt er lange und ausführlich über die Idee, mit möglichst kleinem „impact“ auf der Erde zu leben, also möglichst wenig bis gar keine Ressourcen zu verbrauchen. Nur um dann wenige Seiten später sich ganz selbstverständlich ins Flugzeug zu setzen, um ein paar Stunden zum nächsten Lauf zu fliegen, weil seine Motivation auf den „Hausrunden“ gerade im Keller ist. So etwas kapiere ich einfach nie …
Das klingt jetzt alles recht negativ – aber so richtig warm geworden bin ich mit Eat & Run eben nicht. Obwohl ich die Leistungen Jureks sehr schätze, blieb mir seine Haltung zum Laufen, wie sie sich hier zeigt, einfach fremd.
Scott Jurek with Steve Friedman: Eat & Run. My unlikely Journey to Ultramarathon Greatness. London u.a.: Bloomsbury 2012. 260 Seiten. ISBN 9781408833384
Am 22.1.2014 ist gegen 22 Uhr mein Streak gerissen – zusammen mit meinem Wadenbein und dem Band (Syndesmose) am Sprunggelenk (Maisonneuve-Fraktur). Natürlich war das Skifahren schuld 😉 – aber wenigstens habe ich bei meinem ziemlich heftigen Sturz auf der Piste in Galtür (stilgerecht direkt oberhalb des Weiberhimmls) niemanden umgefahren …
2041 Tage bin ich bis dahin in Serie gelaufen, mit ingesamt 19903 Kilometern (schade eigentlich, dass es für die 20000 nicht mehr gereicht hat ;-)).
Und jetzt humpel ich erst einmal noch etwas herum, sechs Wochen darf ich den Fuß nicht belasten, bevor die Schraube wieder herauskommt. Aber dann geht das ganze wohl wieder von vorne los. Inzwischen habe ich doch schon fast wieder Lust auf einen neuen Streak, nachdem ich mich im letzten Jahr öfters nur noch durch die Länge meiner Serie motivieren konnte. Aber nach einer Woche Zwangspause merke ich: Da fehlt was …
So sah das Wadenbein übrigens kurz nach dem Sturz aus:
The wrong place – is it here?
The wrong moment – is it now?
Will I know?
When you’ve given everything, what do you have left?
Am Sonntagnachmittag war ich noch kurz mit dem Liegerad im Odenwald unterwegs. Dass es der Odenwald war, sieht man sofort am Geschwindigkeitsdiagramm:
Von Bullau bin ich dann durch den Wald am Bullauer Bild hinüber zum Würzberger Jägertor – das war eine abenteuerliche Sache. Das ist zwar ein offizieller Radweg. Aber mit einem Fahrrad kaum vernünftig zu befahren, zumindest nicht in einem halbwegs ordentlichen Tempo. Drei Vollbremsungen mit einmal beide Füße auf den Boden habe ich gebraucht: Wenn dieser Weg nicht total hängend nach allen Seiten ist, dass man kaum einen Pfad zum Fahren findet, ist er mit Schlaglöchern übersetzt. Und die Schlaglöcher sind hier richtige Gruben, in denen ich problemlos mein Hinterrad versenken hätte können – nur wäre ich dann wohl nciht mehr hinausgekommen. Zum Glück hat es aber immer noch gerade so geklappt. Nur die beiden älteren Damen kurz vor Würzberg waren dann total überrascht, als ich von hinten anrauschte – obwohl ich kräftig (soweit das ging …) klingelte und mein Rad auf der schlechten Schotterpiste ganz schön schepperte …
Kaum war ich wieder auf asphaltierten Wegen, fing es dann an zu regnen – und zwar ziemlich kräftig. Am Abzweig zur Mangelsbach habe ich dann sozusagen die Notbremse gezogen und mich erst einmal eine knappe halbe Stunde in die Bushaltestelle verkrümelt. Denn als nächstes stand die Abfahr über die B47 nach Michelstadt hinunter auf dem Plan – und die ist selbst bei guten Verhältnissen anstrengend: Schnell, einige enge Kurven – und vor allem viel Verkehr. Zum Glück hat es dann irgendwann deutlich nachgelassen, meine Geduld war nämlich längst am Ende. Also zog ich meine Jacke über und habe es gewagt. Die Abfahrt war dann stellenweise heikel – oder kam mir zumindest so vor. Mit knapp 60 km/h auf regennasser Fahrbahn, teilweise noch von den Autos eingenebelt: Das war für meine bescheidenen Fahrkünste grenzwertig. Es hat aber alles geklappt, ich bin heil und glücklich unten angekommen und war ja dann auch kurz darauf schon wieder zu Hause. Aber die dunklen Wolken am Himmel hatten mir die Lust auf die eigentlich geplante weitere Schleife ausgetrieben …
Warum ich in der letzten Zeit so wenig laufe: Pech.
Immer dann, wenn ich die Umfänge gerade wieder steigere und die Lust auf mehr da ist, passiert irgend etwas blödes. Erst war es das Fahrradschloss, dass mir auf den rechten Mittelfuß gefallen ist: Zack, wieder ein paar Tage nur mit äußerster Vorsicht und Zurückhaltung nur ganz wenig gelaufen.
Dann war es nasser Asphalt (und vielleicht noch ein Ölfleck oder so): Zack, war mein Hinterrad nicht mehr unter mir, sondern neben mir – und meine linke Hüfte auf den Asphalt gepresst. Nach zehn Tagen sieht das jetzt so aus:
Immerhin ist die Schwellung fast vollständig zurückgegangen, dafür tauchen neue Blutergüsse auf, die vorher in der Tiefe schlummerten. Inzwischen sind die Bewegungen (nach dem Gehumpel auf den zwei Kilometer langen Streak-Not-Strecken) wieder flüssig geworden. Ganz schmerzfrei ist das aber immer noch nicht, was die Lust und die Umfänge natürlich entsprechend beeinflusst.
Und ich wette, wenn ich mich davon erholt habe und die täglichen bzw. wöchtenlichen Umfänge wieder etwas gesteigert habe, passiert etwas anderes …