Übers Laufen und was sonst so draußen passiert.

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Wissen, wo es langgeht: Der Ultralauf-Kompass von Norbert Madry

madry, ultralauf-kompass (cover)

150 Fra­gen beant­wortet Nor­bert Madry, der selb­st Ultra­läufer mit langer Erfahrung und auch Train­er ist, auf den gut 170 Seit­en seines ger­ade erschienen Ultra­lauf-Kom­pass. Eigentlich sind es sog­ar 300 Antworten: Es gibt näm­lich immer eine kurze, sehr pointierte Antwort, die meist nur aus einem knap­pen Satz beste­ht, und eine aus­führliche, erk­lärende, die sich auch mal — aber nur sel­ten — über mehrere Seit­en ziehen kann. Manch­mal ist der Ton etwas arg schn­od­drig für meinen Geschmack, aber das ist natür­lich eine sub­jek­tive Ein­schätzung.

Macht Ultra­laufen doof?
Ja, aber glück­licher­weise nur vorüberge­hend. (24)

Eine Menge Stoff also. Und Madry packt in den Fra­genkat­a­log auch so ziem­lich alles, was wichtig ist — und wenn er etwas nicht behan­delt, wie zum Beispiel die Aus­rüs­tung und Ernährung, dann weist er zumin­d­est darauf hin und begrün­det das mit dem fehlen­den “Ultra­spez­i­fikum”: Wenn das, was fürs Marathon­laufen gilt, auch beim Ultra­lauf Anwen­dung find­et, mag er es nicht auch noch mal behan­deln. Ein sehr sym­pa­this­ch­er Ansatz. Denn ein Buch, dass sich an Ultra­läuferin­nen (oder zumin­d­est Ultra-Inter­essierte) wen­det, wird in der Regel nicht auf Laufnovizen tre­f­fen — ein gewiss­es Grund­wis­sen dürfte also vorhan­den sein und das set­zt Madry auch voraus.

Das Frage-Antwort-For­mat passt ganz gut, weil er recht boden­ständig vor allem auf (seine) Erfahrungswerte set­zt, ohne große The­o­rien: Nach dem Mot­to “Aus der Prax­is, für die Prax­is” ist der Ultra­lauf-Kom­pass tat­säch­lich so etwas wie “ein klein­er, sehr sub­jek­tiv gefärbter Laufkumpel in Buch­form” (8). Gut gefall­en hat mir auch, dass er immer wieder ein­räumt: Hier präsen­tiere ich meinen eige­nen Blick auf die Materie, manche Antworten kön­nte man auch anders geben und nicht alle sind unbe­d­ingt für alle gültig. Er ver­fährt also nicht dik­tierend (so muss man es machen), son­dern weist darauf hin: So kann man es machen, so hat es sich zumin­d­est bewährt …

Auch wenn er im Vor­wort das Buch aus­drück­lich nicht nur für Ultras, son­dern auch für inter­essierte Läufer oder Neugierige ob der Ver­rück­theit­en, die ver­ste­hen wollen, was andere zu Ultras treibt, vor­sieht, so ist das doch schon ein Lauf­buch für Aktive. Madry konzen­tri­ert sich dabei vor allem auf die bei­den “klas­sis­chen” Ultra­diszi­plinen 100 km und 24 Stun­den, bleibt also vor­wiegend beim Straßen­lauf. Zugle­ich sind die Ratschlä­gen, Hin­weise und Antworten aber doch in der Regel so all­ge­mein gehal­ten, dass sie sich für die meis­ten Ultra­streck­en anwen­den lassen.

Was ich auch noch fest­gestellt habe: Nachts kann man entwed­er schlafen oder laufen. (91)

Er fängt dabei mit all­ge­meinen Über­legun­gen zum Ultra an, bevor sich der Haupt­teil — näm­lich fast 100 Seit­en — mit dem Train­ing, unter­gliedert nach Grund­la­gen (als “Bausteine“ sind die recht tre­f­fend beze­ich­net), Plä­nen, Beson­der­heit­en und Jahre­s­pla­nung, befasst. Abschließend gibt es noch zwei Kapi­tel zum Wet­tkampfgeschehen sowie der Psy­cholo­gie und Sozi­olo­gie des Ultras.

So weit ich das erken­nen und beurteilen kann, sind das vor­wiegen vernün­ftige Ratschläge, mit denen mal nicht viel falsch machen dürfte. Das Train­ing zum Beispiel wird klas­sisch peri­o­disiert in Grund­la­gen, spezielle Vor­bere­itung (mit Peak und eher zurück­hal­ten­dem Taper­ing), Wet­tkampf­phase und Regen­er­a­tion. Natür­lich liegt der Schw­er­punkt dann auf lan­gen Läufen, die eigentliche Tem­poar­beit erledigt Madry in der Neben­sai­son und lässt sie im Haupt­train­ing nur noch erhal­tend reak­tivieren. Dabei gilt sowieso: Im Ultra­lauf-Kom­pass wird sich nicht für jedes Fitzelchen Train­ings­gestal­tung eine abso­lut gültige Antwort find­en lassen. Denn Madry geht von einem mündi­gen, nach- & mit­denk­enden Ath­leten aus, der auch schon über Laufer­fahrung ver­fügt — das ist ja wohl auch der Nor­mal­fall, dass man meist schon ein paar Marathons und Kürz­eres in den Beinen hat, bevor man an Ultras, zudem auch noch leis­tungsin­ter­essiert, herange­ht. Madry spricht dabei immer wieder gerne vom „läuferischen Gesamtkunst­werk“ — und das ist auch typ­isch: Nicht ein einzelner/wenige Ansatzpunkt ist erfol­gsver­heißend, son­dern es sind sehr viele, sehr ver­schiedene Stellschrauben, an denen zur Leis­tungsverbesserung, zur Aus­reizung der per­sön­lichen läuferischen Poten­zials, gedreht wer­den kann.

Ich habe es nicht aus­pro­biert (und auch nicht alles durchgerech­net). Beim Lesen des Ultra-Kom­pass sind mir aber aus mein­er (beschei­de­nen) Ultra­er­fahrung jedoch keine groben Unstim­migkeit­en aufge­fall­en oder Sachen, die mir sus­pekt erschienen. Allerd­ings gibt es eben auch keine „neuen“ Weisheit­en — ganz wie es Madry eben ver­spricht. Sehr zurück­hal­tend (um es so zu for­mulieren) fand ich seine Ein­stel­lung zur Psy­che beim laufen — ihm liegen die kör­per­lichen Dinge offen­bar mehr (und sie sind ja auch absolute Voraus­set­zung). Aber ich würde der men­tal­en Vor­bere­itung und Ver­fas­sung während Wettkampf/Lauf etwas mehr Bedeu­tung beimessen.

Aber der Ultra­lauf-Kom­pass ist auf jeden Fall lesenswert. Und er ist vor allem als Nach­schlagew­erk sehr hil­fre­ich, wenn man sein eigenes, schlum­mern­des Halb­wis­sen noch mal über­prüfen oder kor­rigieren möchte …

Aber eine schöne Antwort auf die oft gestellte nervige Frage »Wovor läuf­st Du eigentlich denn weg??« ist: »Ich laufe vor nichts weg, son­der zu allem hin. Auch zu mir selb­st, und ich bin noch lange nicht da.« (171)

Nor­bert Madry: Der Ultra­lauf-Kom­pass. Für alle, die es wirk­lich wis­sen wollen. Grün­wald: Copress 2016. 176 Seit­en. ISBN 9783767911116.

Ein “Tanz mit den Hindernissen” — Kilian Jornets “Lauf oder stirb”

Beina­he hätte ich das Buch noch auf der ersten Seite zugeklappt und in den Papierko­rb geschmis­sen. Da ste­ht näm­lich so hirn­ver­bran­nter Unsinn wie:

„Hol dir den Siegerkranz, oder stirb bei dem Ver­such, ihn zu erlan­gen. Ver­lieren heißt ster­ben, gewin­nen heißt leben. […] Sport ist ego­is­tisch, weil man ego­is­tisch sein muss, um kämpfen und lei­den zu kön­nen, um die Ein­samkeit und die Hölle zu lieben. […] Denn ver­lieren heißt ster­ben. Und du kannst nicht ster­ben, ohne alles gegeben zu haben, ohne dass Schmerzen und Wun­den dich zum Weinen gebracht hät­ten. Du darf­st nicht aufgeben. Du musst kämpfen bis zulet­zt. Denn Ruhm ist das Aller­größte, und dein einziges Ziel muss sein, ihn zu erlan­gen oder auf der Strecke zu bleiben, nach­dem du alles gegeben hast. […] Es ist an der Zeit zu lei­den, es ist an der Zeit zu kämpfen, es ist an der Zeit zu siegen. Lauf oder stirb! (9f.)

Zum Glück — und das ist wirk­lich ein Glück — ist es mit solch markig-mar­tialis­ch­er gewalt- und kriegsver­her­rlichen­der Sprüchek­lopfer­ei dann auch schnell wieder vor­bei. Denn der Rest von Lauf oder stirb (der Titel hätte mich ja war­nen kön­nen) ist ein aus­geze­ich­netes Lauf­buch.

jornet, lauf oder stirbDa geht es näm­lich wirk­lich um das Laufen. Und natür­lich um Kil­ian Jor­net. Das führt dazu, dass “Laufen” hier manch­mal etwas anderes ist als das, was “nor­male” Men­schen darunter ver­ste­hen. Jor­net, in den Bergen geboren (der Hin­weis darf nie fehlen …), schon früh von seinen Eltern in das Wet­tkampfgeschehen der Bergsportarten, ins­beson­dere des Skiberg­steigens, einge­führt, läuft näm­lich vor allem sehr extrem. Fast nur im Gebirge, gerne mal ohne Weg und Steg, gerne mal weit über das hin­aus­ge­hend, was vernün­ftig ist und mit halb­wegs real­is­tis­ch­er Risikoein­schätzung noch zu vertreten ist. Nachah­men sollte man das also nicht unbe­d­ingt. Lauf oder stirb hat aber auch gar nicht Anspruch, ein Anleitungs­buch zu sein: Es gibt keine Train­ingspläne (die wer­den nicht ein­mal erwäh­nt), keine Aus­rüs­tungstipps, es ist keine Ernährungs­bibel und auch kein Weg­weis­er zu beson­ders tollen Trails. Stattdessen erzählt Jor­net wirk­lich vom Laufen und der Fasz­i­na­tion daran: Der Fasz­i­na­tion des Draußen-seins: Dem Erleben der Umwelt, der Berge und Gebirge, der Pflanzen und der Tiere, dem Wet­ter und der Aus­sicht­en, den Naturschaus­pie­len.
Der Fasz­i­na­tion der kör­per­lichen Erfahrung: Das wörtliche erlaufen neuer Hor­i­zonte, neuer Höhen und Gebi­ete.
Der Fasz­i­na­tion der Her­aus­forderung von Gren­zen und dem Über­schre­it­en.
Der Fasz­i­na­tion des Laufens nicht nur als Bewe­gung­form, als Ablauf von Bewe­gun­gen (auch das spielt aber eine Rolle), son­dern auch als eine Art Exis­tenz, ein psy­chis­ch­er Zus­tand, eine Art Sucht.
Und, nicht zu vergessen: die Fasz­i­na­tion des Gewin­nens.
Denn der Jor­net, der sich hier präsen­tiert, läuft um zu siegen, er ist ein (rein­er) Wet­tkampfläufer: Läufe, die der Vor­bere­itung, dem Train­ing dienen oder ein­fach so unter­nom­men wer­den, spie­len hier kaum eine Rolle. Es geht ums gewin­nen. Oder sie dienen dazu, andere zu besiegen. Im direk­ten Ver­gle­ich wie beim UTMB oder im Unter­bi­eten von Bestzeit­en (zum Beispiel beim TRT oder auf dem Kil­i­mand­scharo): Auf das Siegen kommt es an.

Ich genieße den Wet­tkampf. Jeden davon möchte ich gewin­nen und dabei das Gefühl erleben, als Erster durchs Band zu laufen. Es ist wun­der­bar, nach der let­zten Kurve in die Ziel­ger­ade einzu­biegen und das Band am Ende zu erspähen. Mich noch ein­mal umzu­drehen und zu verge- wis­sern, dass nie­mand mir diesen Moment nehmen kann. Nach vorne zu schauen, die Augen zu schließen und noch ein­mal Gas zu geben, um mich vom Pub­likum zum Sieg tra­gen zu lassen. In jen­em Moment vergesse ich den Schmerz, spüre ich meinen Kör­p­er nicht mehr, son­dern bin, von den Emo­tio­nen dieser let­zten Sekun­den erfüllt, ganz bei mir. Und dann füh­le ich, wie mein schweiß­nass­er Kör­p­er das Ziel­band zer­reißt und es zu Boden fällt. (31)

Das macht Jor­net allerd­ings nicht alleine, son­dern aus­ge­sprochen pro­fes­sionell mit großer Mannschaft, die schnell zwei Dutzend und mehr “Mitar­beit­er” umfasst. Das fand ich etwas schade, dass er diesen Umstand gerne etwas abtut: Natür­lich sind die ihm wichtig — die Höflichkeit gebi­etet das, aber beson­ders detail­liert oder inten­siv geht er nicht auf sie ein, wed­er auf die Läufer, die ihm als Tem­po­mach­er dienen (er nen­nt das meis­tens “Train­er”), noch das Ver­sorgung­steam und schon gar nicht der große medi­ale Zirkus. Dass sein Spon­sor Salomon bei der Pyrenäen­querung auch einen Hub­schrauber im Ein­satz hat­te, erfährt man hier nicht — an weni­gen Stellen wer­den Kam­eraleute und Fotografen immer­hin erwäh­nt.

Das soll jet­zt über­haupt nicht seine Leis­tung schmälern, hätte vielle­icht aber ein voll­ständi­geres Bild abgegeben. Denn Jor­net ist, wie vielle­icht kaum ein ander­er Trail-/Ul­tra­läufer über­haupt, eine medi­ale Insze­nierung, die sein Spon­sor maßge­blich vorantreibt. Das mag, um wieder zum eigentlichen zurück­zukom­men, mit seinem Lauf­stil zusam­men­hän­gen: Laufen, das ist für Jor­net ein „Tanz mit den Hin­dernissen“ (66). Dazu gehört auch, sich irrsin­nig irgendwelche Hänge und Rin­nen her­abzustüren, über Grate zu bret­tern — und dabei noch lock­er und genießend auszuse­hen. Davon erfährt man auch in Lauf oder stirb viel. Und von dem, was in einem solchen Aus­nah­meläufer während des Laufens vorge­ht, wie er das Laufen, seine Umge­bung und sich selb­st wahrn­immt — das sind großar­tige Pas­sagen wie diese hier:

Inmit­ten dieser Far­ben­pracht gle­ichen wir Tänz­ern, die sich im Rausch der Kraft fort­be­we­gen. Wir spie­len mit dem bre­it­en, sich wellen­för­mig dahin­schlän­gel­nden Weg, der uns alles gibt, was wir brauchen, um Spaß zu haben. Jede Kurve, jedes noch so kleine Gefälle, jed­er Son­nen­strahl, der uns trifft, belebt unser Tem­po. Jede Ausrede ist recht, um die Schrit­tfre­quenz mein­er Beine zu erhöhen und zu spüren, wie meine Muskeln sich beim Abstoßen vom Boden zusam­men­ziehen und während der Flug­phase vol­lkom­men entspan­nen. Meine Uhr zeigt mir an, dass ich mich mit sechzehn Stun­denkilo­me­tern fort­be­wege. Ich füh­le mich wirk­lich gut, und meine Füße wür­den den Unter­grund am lieb­sten gar nicht berühren. Wir kom­men mit großer Geschwindigkeit zwis­chen den Bäu­men voran, fliegen förm­lich mit leisem Schritt und gle­ich­mäßiger Atmung, sodass uns nichts ent­ge­ht, was um uns herum passiert. (62)

Natür­lich gehört auch der Schmerz dazu, die Über­win­dung, das Lösen von Prob­le­men — sei es der Ver­sorgung, der Ori­en­tierung oder der Musku­latur, die vielle­icht nicht ganz so unternehmungslustig ist.

Die Besessen­heit, mit der sich Jor­net dem Laufen ver­schreibt, ist sich­er nicht ganz üblich. Nicht ganz durch­schnit­tlich sind aber auch seine Voraus­set­zun­gen. Für ihn ist es vor allem die Psy­che, die ihn zum Gewin­ner macht. Das ist natür­lich min­destens Under­state­ment, eigentlich sog­ar etwas geschum­melt. Denn natür­lich geht so etwas — Spitzen­leis­tun­gen wie der mehrfache Sieg beim UTMB oder ähn­lich­es — nicht ohne entsprechende phys­i­ol­o­gis­che Voraus­set­zun­gen. Aber man sollte bei einem Läufer­buch vielle­icht auch nicht jedes Wort auf die Gold­waage leg­en. Denn unab­hängig von meinen kleinen Ein­wän­den1 ist Lauf oder stirb ein tolles Buch, dass die grandiosen Erfahrun­gen, die man — ob man so schnell, weit und extrem läuft wie Jor­net oder wie ich etwas gemäßigter 😉 — beim Laufen immer wieder machen kann, sehr anschaulich und ger­adezu mitreißend beschreibt.

Kil­ian Jor­net: Lauf oder stirb. Das Leben eines bed­i­n­ungslosen Läufers. München: Malik 2013. 222 Seit­en. ISBN 9783890297644.

  1. Dazu gehört übri­gens auch noch die Kri­tik am etwas schlampi­gen Lek­torat, dass doch tat­säch­lich mehrmals (S. 15 u.ö.) Gal­izien statt Gali­cien ste­hen lässt!

Essen und Laufen

Eat & Run, CoverIst das ein Lauf­buch? Der Autor­name lässt es ver­muten: Scott Jurek ist ein­er der großen Ultra­läufer. Aber Eat & Run — der Titel ver­rät es ja schon — dreht sich nicht nur ums Laufen. Im Gegen­teil: Über weite Streck­en geht es vor allem ums Essen. Nicht ohne Grund ste­ht das im Titel vorne. Und zwar um das richtige Essen — näm­lich die veg­ane Ernährung. Jurek schildert aus­führlich seinen Weg von der “nor­malen” amerikanis­chen Kost des mit­tleren West­ens zur veg­an­is­chen Ernährung. Das geschieht bei ihm vor allem aus (schein­bar) gesund­heitlichen Grün­den und weil er meint zu beobacht­en, dass er sich damit bess­er fühlt. Zugle­ich pla­gen ihn aber auch lange und immer wieder die Zweifel, ob er mit veg­a­nen Lebens­mit­teln aus­ge­wogen, gesund und in allen Bere­ichen aus­re­ichend genährt ist, um Ultras zu laufen.

Schade, dass das eigentliche Laufen dann so eine ver­gle­ich­sweise kleine Rolle spielt. Sich­er, die großen Ereignisse sind drin — etwa sein über­raschen­der Sieg beim West­ern State 1999. Sein Kampf mit dem Bad­wa­ter, mit dem der von Steve Fried­man in eine angen­hem les­bare, dur­chaus span­nende und abwech­slungsre­iche Erzäh­lung gebrachte Text ein­set­zt. Was mir aber oft fehlte: Was Jurek beim Laufen eigentlich erlebt, wie er das Laufen erlebt und wahrn­immt. Hier geht es dage­gen oft um “Äußeres” — sein Train­ing, die Wet­tkämpfe, die Streck­en auch mal, das aber schon recht ober­fläch­lich oft.

Typ­isch für ein Lauf­buch, ger­ade von Ultra­läufern, ist aber ein wesentlich­er Aspekt: Die per­ma­nente Über­bi­etungslogik (hier aber gar nicht oder nur wenig reflek­tiert). Das muss immer noch etwas härter, noch etwas weit­er, steil­er, extremer und gefährlich­er sein. Bei Jurek kommt noch hinzu: Mit immer mehr Hand­i­cap gelaufen — zum Beispiel wie den Hardrock 100 mit ver­let­ztem Knöchel -, also immer mehr Schaden an Leib und Seele in Kauf nehmend. Aber für “tough men” ist das natür­lich gar kein Prob­lem, son­dern eine Her­aus­forderung. Viel weit­er reicht der Hor­i­zont Jureks hier nicht — schade eigentlich. Schade auch, dass er sich auf’s Gewin­nen beschränkt. Sein Scheit­ern spielt nur eine sehr kleine Rolle — die Auf­gabe beim UTMB 2008 ist ihm etwas nur einen hal­ben Satz wert und wird mit ein­er Ver­let­zung entschuldigt. Das ist etwas para­dox, weil er ger­ade zuvor seit­en­weise über seine hero­is­che Groß­tat, den Hardrock 100 schon ver­let­zt zu begin­nen, schrieb. Aber es passt in den Ein­druck, der sich bei mir immer mehr ver­stärk­te: Es geht ihm hier nicht ums Laufen, son­dern um das Gewin­nen — also um das Besiegen ander­er Läufer. Das passt nur wenig mit sein­er gerne beschwore­nen Beschei­den­heit zusam­men — ger­ade wenn es in Sätzen gipfelt wie:

No one wants to win more than I do. (154)

Ver­nun­ft und Ver­stand darf man hier aber generell nicht zu viel erwarten.

Bei manchen Din­gen reicht meine Geduld allerd­ings auch nicht: Zum Beispiel schreibt er lange und aus­führlich über die Idee, mit möglichst kleinem “impact” auf der Erde zu leben, also möglichst wenig bis gar keine Ressourcen zu ver­brauchen. Nur um dann wenige Seit­en später sich ganz selb­stver­ständlich ins Flugzeug zu set­zen, um ein paar Stun­den zum näch­sten Lauf zu fliegen, weil seine Moti­va­tion auf den “Haus­run­den” ger­ade im Keller ist. So etwas kapiere ich ein­fach nie …

Das klingt jet­zt alles recht neg­a­tiv — aber so richtig warm gewor­den bin ich mit Eat & Run eben nicht. Obwohl ich die Leis­tun­gen Jureks sehr schätze, blieb mir seine Hal­tung zum Laufen, wie sie sich hier zeigt, ein­fach fremd.

Scott Jurek with Steve Fried­man: Eat & Run. My unlike­ly Jour­ney to Ultra­ma­rathon Great­ness. Lon­don u.a.: Blooms­bury 2012. 260 Seit­en. ISBN 9781408833384

I want to run!

Es gibt ja so Läufe, die auch für einen Langstreck­en­läufer unglaublich und unwirk­lich bleiben. Der Transeu­ropalauf ist so eine Ver­anstal­tung: Da laufen ein paar dutzend Läufer über 60 Tage lang ein­fach mal so quer durch Europa — in West-Ost- oder Süd-Nord-Rich­tung. Zur zweit­en Auflage dieses wahnsin­ni­gen Unternehmes 2009 gibt es einen Kinofilm: I want to run (übri­gens ein Zitat der japanis­chen Läuferin, die nach ca. 2/3 der Strecke ver­let­zt aufgeben musste …). “Das härteste Ren­nen der Welt” heißt der Film im Unter­ti­tel — davon gibt es ja inzwis­chen einige Vari­anten, von den “härtesten” Rennen/Wettkämpfen/Veranstaltungen. Aber zum Glück geht es darum eigentlich gar nicht. Ganz im Gegen­teil: Der Film von Achim Michael Hasen­berg ist richtig schön: Ehrfurchtsvoll und entspan­nt zugle­ich, gemütlich und faszinierend. Schöne Bilder und inter­es­sante Gespräche wech­seln sich, immer wieder lässt er sich viel Zeit, um ein­fach die Teil­nehmer bei dem zu zeigen, was sie den ganzen Tag treiben: Laufen.

Und eines gelingt Hasen­berg und seinem Kamer­mann Christoph Rose ganz beson­ders gut: Ihre eigene Fasz­i­na­tion angesichts der Läufer, des Laufs und des Laufens zu zeigen und weit­erzugeben, zu ver­mit­teln, dass das nicht ein­fach Ver­rück­te sind, son­dern eigentlich ganz nor­male Men­schen, die nur ein biss­chen länger und weit­er laufen als andere … Wie sich mit fortschre­i­t­en­der Kilo­me­terzahl die Ver­let­zun­gen häufen, die Prob­leme mehren, die Tapes und Ver­bände immer mehr wer­den — und die Ver­rück­ten trotz­dem ein­fach immer weit­er laufen, das ist nicht nur bewun­der­swert, son­dern mit diesen Bildern auch inspiri­erend: Da will man doch gle­ich wieder selb­st loslaufen. Auch wenn’s keine 80 Kilo­me­ter sind. Und auch mor­gen oder über­mor­gen nicht sein wer­den.

Achim Michael Hasen­berg: I want to run. Das härteste Ren­nen der Welt. 89 Minuten. 2012.

Die neue Art zu laufen

Das beste Bilder­buch zum Laufen, das es gibt: Von den Mach­ern des unbe­d­ingt empfehlenswerten (und kosten­losen) “Trail Mag­a­zins”, Stephan Rep­ke (Grip­mas­ter) und Denis Wis­chniews­ki, kommt dieses schöne Buch.

“Trail­run­ning. Die neue Art zu laufen” ste­ht schön auf­fäl­lig auf dem Umschlag. Dabei ist es natür­lich alles andere als “neu”, auf kleineren Wegen und Pfaden in der Natur laufen zu gehen. Das wis­sen die bei­den Autoren natür­lich auch — aber irgend ein knack­iger Titel muss ja sein.

Eifrigen Lesern des “Trail Mag­a­zins” wird das meiste hier bekan­nt vorkom­men: Die Reporta­gen der ver­schiede­nen Läufe quer durch die Welt standen da (fast?) alle schon ein­mal drin. Hier gibt es sie halt noch ein­mal gedruckt, mit vie­len, vie­len tollen, fan­tastis­chen Bildern.

Die Läufe führen nach Island, über Kor­si­ka oder Tener­if­fa, durch Südafri­ka oder die Sahara, über die Alpen in ver­schiede­nen Vari­anten und durch deutsche Wälder und Städte (ja, auch das — ein Ver­such zumin­d­est, auch in der “Zivil­i­sa­tion” Trails zu find­en …). Aber eigentlich egal, wo ger­ade gelaufen wird — Spaß macht es den Beteiligten offen­bar immer. Und dem Leser und Schauer ganz viel Lust, die Schuhe zu schnüren und raus in die Wild­nis loszuziehen. Dass das nicht immer so ein­fach ist, ist klar. Nicht jed­er wohnt opti­mal am Rand der Alpen oder so, in guten Trail­run­ningge­bi­eten — oder fährt für einen Lauf erst ein­mal ein paar Hun­dert Kilo­me­ter Auto).

Das sehe ich auch immer bei den Fans des Trail­run­nings, ins­beson­dere im “Trail Mag­a­zin”, etwas als Man­gel: Mir scheint, sie haben ein sehr bes­timmtes, fix­iertes Bild des Trails, das ich zu ein­seit­ig finde: Ihre Wege führen sie fast immer in die Berge, ins Gebirge, mit allen Vor- und Nachteilen. Schön laufen kann man aber auch in Mit­tel­ge­bir­gen und im Flachen — das ist für die aller­meis­ten Läufer auch mit mehr Laufen ver­bun­den als sich die Berge hoch und runter zu quälen, wo ja immer auch einiges an Gehen dazuge­hört …

Und dann wäre da natür­lich noch der Marken­fetis­chis­mus der Mach­er, die Fix­ierung auf Salomon als Aus­rüster — ich glaube fast (ohne es jet­zt konkret über­prüft zu haben oder zu wollen) es gibt in diesem Band kein Foto, auf dem nicht Salomon-Aus­rüs­tung vertreten ist. Andere Her­steller machen natür­lich auch vernün­ftige Aus­rüs­tung, wer­ben allerd­ings nicht so inten­siv mit dem Trail­run­ning wie Salomon momen­tan. Aber davon muss/darf/sollte man sich den Spaß an diesem schö­nen Buch ja nicht verder­ben lassen …

Stephan Repke/Denis Wis­chniews­ki: Trail Run­ning. Die neue Art zu laufen. Biele­feld: Delius Klas­ing 2001. ISBN 978–3‑7688–3266‑3. 158 Seit­en. 24,90 Euro.

Mehr als Marathon: Das “Handbuch Ultralauf”

Da ist es also endlich, das “Hand­buch Ultra­lauf” — dann soll­ten jet­zt ja endlich mal alle Fra­gen gek­lärt sein. Sie sind es natür­lich nicht, ganz im Gegen­teil. Und das ulti­ma­tive Hand­buch erscheint auch noch in der Runner’s‑World-Reihe — ist Ultra­lauf jet­zt endgültig Main­stream gewor­den? Nein, auch das nicht — das Hand­buch weist selb­st auf die tlw. stag­nieren­den, tlw. min­i­mal steigen­den Zahlen der Läufer und Läuferin­nen hin.

Wolf­gang Olbrich, Sport­wart der DUV, ver­sucht sich hier also am Run­dum­schlag: Von der Geschichte des Ultra­ma­rathon­laufs bis zu spez­i­fis­chen Train­ingsplä­nen ist über Train­ings­grund­la­gen, Aus­rüs­tung, men­tales Train­ing, Ernährungs- und orthopädis­che Fra­gen so ziem­lich zu jedem “Prob­lem” des Ultras hier etwas zu find­en. So richtig begeis­tern kon­nte mich das Buch aber trotz­dem nicht.

Das fängt schon am Anfang an: Die ersten 36 Seit­en (kein unbe­trächtlich­er Teil des Umfangs also) sind eigentlich ver­schenkt. Da wird aus­führlich die Sit­u­a­tion der Ver­bände (inklu­sive ihrer Komit­tees und deren Vor­sitzen­den) und der Meis­ter­schaften auf nationaler und inter­na­tionaler Ebene referiert — ist das wirk­lich nötig? Die DUV wird (natür­lich) sehr promi­nent dargestellt (inklu­sive der “inter­nen Stre­it­igkeit­en” … — den VFUM hätte man, bei aller Antipathie, hier dur­chaus auch mal erwäh­nen kön­nen). Auch die restlichen Ver­bände wie DLV und IAU bekom­men viel Raum. Und das gle­ich am Anfang, direkt nach eini­gen kur­sorischen Bemerkun­gen zur Geschichte des Ultra­laufs.1

Das Faz­it nach dem ersten Fün­f­tel also: Wenig hil­fre­ich bish­er. Doch dann geht’s los: Kapi­tel 6–8 zeigen die Train­ings­grund­la­gen für den Ultra­lauf. Hier beschreibt Olbrich dann doch wieder erst ein­mal die üblichen Train­ings­for­men — exten­sive und inten­sive Dauer­läufe, Inter­valle, Fahrt­spiele … -, aber wenig­stens schön knapp, obwohl er mehrmals darauf hin­weist, dass er genau das eigentlich voraus­set­zt (zusam­men mit mehrjähriger Marathon­er­fahrung). Vor allem tut er es aber mit spezieller Berück­sich­ti­gung der lan­gen Dis­tanzen und geht auch auf Aus­gle­ich­strain­ings (Dehnen, Kräf­ti­gungsübun­gen) und Lauf-ABC jew­eils knapp ein.

Dem fol­gen kurze (wirk­lich aus­führlich ist in dem Hand­buch eben nichts) Kapi­tel zur Ernährung (Olaf Hüls­mann), zu Prob­le­men des Magen-Darm-Trak­ts beim lan­gen Laufen (Ste­fan Hinze), zu orthopädis­chen Aspek­te der lan­gen Belas­tung (Diet­mar Göbel), zu men­tal­en Aspek­ten des Ultras und schließlich noch 25 Seit­en Train­ingspläne (50km, 100km, 24h, Etap­pen­läufe).

Die abschließen­den 12 Seit­en zur “Aus­rüs­tung” waren wohl Pflicht für die Spon­soren,2 sind für den Läufer aber eher unnötig — schließlich ist das Hand­buch laut Ein­leitung doch aus­drück­lich für Ath­leten gedacht, die “bere­its seit mehreren Jahren im Lauf­bere­ich trainieren” (11) — was ja auch sin­nvoll ist, bevor man den ersten Ultra ange­ht. Genau diese Sportler wis­sen aber doch schon, was man beim Laufen anziehn sollte, das es Pulsmess­er und GPS-Uhren gibt …

Ganz zum Schluss kommt noch ein kurz­er Lit­er­atur-Anhang mit sehr aus­g­wählten Titeln: (Basis-)Literatur zum Laufen all­ge­mein und zur Train­ingslehre fehlt kom­plett (obwohl z.B. beim Noakes doch auch was zum Ultra­lauf drin ste­ht), die Liste führt fast auss­chließlich medi­zinis­che (gas­tro-enterol­o­gis­che und orthopädis­che, auch psy­chol­o­gis­che) Untersuchungen/Artikel an.3

Also: Den Titel “Hand­buch” halte ich für etwas über­trieben, sowohl hin­sichtlich des Inhalts als auch des Umfangs von 192 seit­en (inkl. ver­schieden­er Lauf­berichte, die mir teil­weise schon bekan­nt vorka­men, aus der UM oder den entsprechen­den Inter­netquellen?, und kurzen Läufer­porträts, die aber sehr schema­tisch ger­at­en sind und die Per­so­n­en kaum vorstellen. Es bleiben dabei 180 Seit­en eigentlich­er Text der Kapi­tel 1–18 (mit vie­len, nicht immer aus­sagekräfti­gen Fotos). Wenn man die Ver­anstal­tungs­berichte und Porträts raus­nimmt, sind es noch 136 Seit­en, davon aber auch 25 Seit­en Defin­in­tion, Ultra-Geschichte, die Darstel­lung der Ver­bände, Meis­ter­schaften und großer Ver­anstal­tun­gen (kurz beschrieben wer­den: Com­rades, Biel, Bad­wa­ter, Spar­tathlon, Rodgau, Kien­baum und Rennsteig) — let­ztlich bleiben also nur noch gut 100 Seit­en für den eigentlichen Inhalt übrig — kein Wun­der, dass mir vieles etwas ober­fläch­lich dargestellt schien.

Ohne Zweifel wer­den alle wichti­gen Aspek­te abge­han­delt, aber zum Teil eben nur beschreibend, ohne vernün­ftige, d.h. wirk­lich helfende Hand­lungsempfehlun­gen (ins­beson­dere im Bere­icht der Ernährung und Ver­dau­ung), zum Teil auch ein­fach nur sehr abstrakt und wenig konkret.

Das Prob­lem, weswe­gen das Hand­buch mir so unbe­friedi­gend scheint, ist wohl fol­gen­des: Erstens ist Vieles, ger­ade das grundle­gende Wis­sen, in den großen Büch­ern zum (Marathon-)Laufen auch schon in den ver­schieden­sten Aus­prä­gung aus­re­ichend erk­lärt und beschrieben. Und zweit­ens gibt es zum Ultra­lauf keine bzw. nur wenige wirk­lich all­ge­mein gel­tenden Ver­fahrensweisen, was die Aus­gestal­tung des Train­ings im Detail z.B. bet­rifft, oder was die Ernährung während des Wet­tkampfes ange­ht — und das muss Olbrich, der ja ohne Zweifel Ahnung und aus­re­ichende Erfahrung hat und auch viele Läufer und Ver­anstal­tun­gen gut ken­nt, eben immer wieder kon­sta­tieren. Mich hat das ein wenig unbe­friedigt hin­ter­lassen, bei der Lek­türe.

Dazu kommt noch (wieder ein­mal) ein unzure­ichen­des Lek­torat — sprach­lich mit­telmäßig, wech­selt der Text z.B. zwis­chen Duzen und Siezen, Satzfehler etc. — das ärg­ert mich immer ein biss­chen. Das geht schon damit los, dass Umschlag und Titel sich nicht einig sind, wie das Buch über­haupt heißt. Und das set­zt sich im Text eben fortwährend fort. Das ist für Hob­by­pub­lika­tio­nen o.k., entspricht aber nicht meinem Anspruch an offizielle Ver­lagsveröf­fentlich­tun­gen.

Viel Gemeck­er also hier. Trotz­dem für den Ein­steiger sicher­lich nett und hil­fre­ich. Es geht aber eben auch bess­er — behaupte (und denke) ich. Ich ver­mute, es war den Autoren ein­fach nicht klar genug, was das werden/sein soll: Ein Hand­buch für Ultra­läufer? Für am Ultra­ma­rathon Inter­essierte? Soll es den Ultra­lauf populär(er) machen oder dem Ultra­läufer, ob Anfänger oder Fort­geschrit­ten­er, als Nach­schlagew­erk zur Seite ste­hen? Es will dann irgen­dewie alles — und schafft dann nichts richtig befriedi­gend.

Wolf­gang Olbrich: Hand­buch Ultra­lauf [Mehr als Marathon! Train­ingspläne für 50 Km und mehr, Men­tal­train­ing, Ernährungstipps]. Aachen: Mey­er & Mey­er 2011 (Runner’s World). 192 Seit­en. ISBN 978–3‑89899–657‑0. 19,95 Euro.

  1. Diese Geschichte müsste man wohl eigentlich noch/mal schreiben, aus Sicht des His­torik­ers ist das alles sehr unbe­friedi­gend. Denn in der Geschichtswis­senschaft passiert da ja dur­chaus einiges, v.a. im Bere­ich der Kör­pergeschichte und der Kul­turgeschichte über­haupt, was hier hin­passen kön­nte. Aber das nur so neben­bei.
  2. Das ist ja eine echte Unsitte der Sport­büch­er, ger­ade im Bere­ich Aus­rüs­tung, so etwas immer wieder her­anzuziehen — das ärg­ert mich immer wieder. Das “Hand­buch Ultra­lauf” ist, wie viele andere solch Büch­er, trotz­dem nicht bil­lig, zudem auch noch mit “Runner’s World”-Kooperation (die sind ja auch kein Fach­blatt für Ultra­dis­tanzen …) — muss diese Wer­bung für Polar (die ange­blich das beste Com­put­er­pro­gramm zur Auswer­tung haben — Sport­Tracks als Alter­na­tive wird nicht ein­mal erwäh­nt) und Gore wirk­lich sein?
  3. Und den kuriosen Ein­trag “Wikipedia” find­et man noch. Unge­nauer geht es ja eigentlich nicht mehr — Was und Wann war das denn, in welch­er Sprachver­sion?, da fehlt wirk­lich nur noch die Quel­lenangabe “Inter­net”.

Poulin/Swartz/Flaxel: Trail Running. From Novice to Master

Einen vielver­sprechen­den Titel trägt das Buch von Kirsten Poulin, Stan Swartz und Christi­na Flax­el: From Novice to Mas­ter. Wenn das auf den 175 Seit­en gelingt, wäre das ja schon viel … Natür­lich ist es nicht ganz so ein­fach, Laufen muss man eben immer auch trainieren, unab­hängig vom Unter­grund und der Umge­bung. Das ver­schweigt das Autoren­trio (immer­hin zwei Frauen!) auch nie. Denn dieses amerikanis­che “Lehrbuch” ist sehr gewis­senhaft und gründlich. Der Run­dum­schlag ums Trail­run­ning umfasst hier:

  • Intro­duc­tion to Trail Run­ning
  • Plan­ning a Run
  • Train­ing, Con­di­tion­ing, and Prepa­ra­tion
  • Recov­ery
  • Envi­ron­men­tal Fac­tors, Nav­i­ga­tion, and Safe­ty
  • Injury Pre­ven­tion and Treat­ment
  • Brin­ing it tot the Next Lev­el: Ultra­run­ning

Diess­er Blick ins Inhaltsverze­ich­nis zeigt, denke ich, auch sehr gut die Aus­rich­tung dieses Buch­es. Hier geht es nicht um tolle Läufe, um Laufer­leb­nisse oder Wet­tkampfer­fahrun­gen. Son­dern, wenn man so will, um die Basics, die das alles erst über­haupt möglich machen.

Lei­der war das Buch wohl etwas zu früh für den momen­ta­nen Trail-Boom. Und lei­der, lei­der ist es auch nur mit schwarzweiß-Pho­tos (aber dur­chaus guten) verse­hen — schade. Recht aus­führlich ist es in jedem Fall. Vor allem, was die Aus­rüs­tung, auch für extremere Läufe, ange­ht. Einge­hend berück­sichtigt wird etwa der Son­nen­schutz, der Ein­fluss von viel Wind, aber auch das Laufe im Schnee. Und wie in jedem Lauf­buch auch ein kurz­er Train­ingsleit­faden. Nicht fehlen darf beim Trail natür­lich die Lauftech­nik, wobei die Autoren sich hier etwas zurück­hal­ten und eher all­ge­meine Ratschläge geben. Das Bergauf- und Bergab-Laufen wird aber aus­führlich gewürdigt. Und auch das Fall­en: “A fall is an inevitable part of trail run­ning.” (72) — sehr schön.
Erstaunlich viel ste­ht hier dann auch zum Dehnen und zur Ernährung vor, während und nach dem Lauf.

Und etwas schlägt die amerikanis­che Per­spek­tive schon durch. Nicht nur bei der Flo­ra und Fau­na, son­dern z. B. auch beim Umgang des Läufers mit Wegen und der Angst vor Ero­sion — in “meinen” Laufre­vieren ist das eher weniger ein Prob­lem. Und wenn dann, ein durch die Bewirtschaf­tung und nicht durch die Läufer veur­sacht­es. Über­haupt bemühen sich die drei Autorin­nen sehr um einen ver­ant­wor­tungsvollen Umgang mit der Natur. Wieder­holt wird darauf hingewiesen, nichts mitzunehmen (außer Pho­tos) und nichts zu hin­ter­lassen (außer Fußspuren):

Always leave a nat­ur­al envi­ron­ment as you found it, and min­i­mize your impact. Take only pho­tographs and enjoy­able mem­o­ries of your run. Leave only foot­pringts. Nev­er lit­ter. Pack it in, pack it out, which means that any mate­ri­als you bring in should leave with you. (104)

Der schön­ste Tipp aber:

If you copme across mud pud­dles, snow patch­es, or wet spots, care­ful­ly run through them, not around them. Also, jump or step over any fall­en trees. Run­ning around them can cause trails to widen, increas­ing soil and veg­e­ta­tion dam­age. (104)

Ins­ge­samt: sehr durch­dacht und über­legt, mit dem klaren Ziel des kon­trol­lierten, risiko-min­imierten und Erleb­nis-max­imierten Trail-Laufs.

Kirsten Poulin, Stan Swartz, Christi­na Flax­el: Trail Run­ning. From Novice to Mas­ter. Fore­word by Mark Bur­nett. Seat­tle: The Moun­taineers Books 2002. 175 Seit­en. ISBN 0–89886-840–8.

Zu Fuß quer durch Amerika

Tom McNab hat mit “Trans-Ameri­ka” wahrschein­lich das beste Lauf­buch geschrieben. Wobei die Ein­stu­fung als “Lauf­buch” etwas schwierig ist, denn McNab hat ein­fach einen guten his­torischen Roman geschrieben. Dessen Sujet ist aber (zufäl­lig?) ein Lauf. Und nicht eben irgen­dein Lauf, son­dern der erste Tran­skon­ti­nen­tal­lauf der Geschichte, von Charles Flana­gan 1931 quer durch die USA. Das Laufen der über 5000 Kilo­me­ter lan­gen Strecke an sich ist aber nicht das Zen­trum dieses Buch­es, son­dern der soziale Rah­men, der Mikrokos­mos des Läufer-Tross­es, die sozialen Inter­ak­tio­nen inner­halb dieser eher zufäl­lig zusam­mengewür­fel­ten Gruppe und ihre Inter­ak­tio­nen mit dem Umfeld, dem Rest der Welt — einzeln und als Gruppe.

Der Trans-Ameri­ka-Lauf, den McNab hier beschreibt (er stützt sich lose auf ein real stattge­fun­denes Ren­nen, den Bunion Der­by von 1928), ist eine pro­fes­sionelle Ver­anstal­tung, die dem Prof­it des Unternehmers Charles C. Flana­gan dienen soll — über den Umweg der Unter­hatlung für die Zuschauer. Das Laufen ist also nicht ein Selb­stver­wirk­lichungstrip wie heute so oft. Die Prob­leme der Organ­ista­tion und der Läufer sind aber ähn­liche wie bei heuti­gen Unternehmungen diesen Kalibers, wobei die rein läuferische Bewäl­ti­gung dieser Strecke und die damit ver­bun­de­nen Prob­leme zwar vorkom­men, aber ins­ge­samt eine nachrangige Stel­lung ein­nehmen.

Der Lauf startet mit einem riesi­gen Starter­feld von über 2000 Läufern, das schnell aus­dün­nt, dann aber ziem­lich sta­bil bleibt und am Ende in New York noch fast 1000 Läufer umfasst, von denen einig zwis­chen­durch noch an obskuren Leich­tath­letik-Tunieren teil­nehmen, Boxwet­tkämpfe beste­hen oder gegen ein Ren­npferd antreten. Immer mit den entsprechen­den Wet­ten. Denn es geht vor allem ums Geld­ver­di­enen: Laufen als Geschäft — aber eben als Unter­hal­tungs­geschäft, für die Zuschauer und als Anlass für Wet­ten. Die Aus­rich­tugn war also eine andere als heute, die Per­spek­tive ver­schob sich. Das alles siedelt McNab in einem genialen Set­ting an — zur Zeit der Wirtschaft­skrise gibt es genug arme Schweine, die das als Stro­hhalm begreifen und die Gruppe der Läufer entsprechend bunt zusam­mengewür­felt erscheinen lassen. McNab fokussiert dabei erzäh­lerich auf eine kleine Gruppe an der Spitze: “Doc” Cole, “Iron Man” Mor­gan, Hugh McPhail, Lord Thurleigt — und die einzig Frau, die von Los Ange­les bis New York durch­hält, Kate Sheri­dan … Dazu mixt er ein wenig Romanze (zwis­chen Kate und Mor­gan, Flana­gans Sekretärin Dix­ie und Hugh). Geschickt set­zt er wech­sel­nde Foki zwis­chen Läufer und Ver­anstal­ter, Außen- und Innen­sicht durch Ein­beziehung der beglei­t­en­den Reporter und ihrer Veröf­fentlichun­gen ein, um gestal­ter­ische und inhaltliche Abwech­slung zu erzeu­gen. Das sportliche (oder wirtschaftliche) Ereig­nis wird noch dazu auch poli­tisch verknüpft — mit Edgar J. Hoover und seinem FBI, dem amerikanis­chen Präsi­den­ten und den Gew­erkschaften und so eini­gen wirtschaftlichen Intri­gen udn Hin­ter­hal­ten, die Flana­gan meis­tern muss — und mit Hil­fe der grandiosen Läufer und ihrer helden­haften Kam­er­ad­schaftlichkeit auch bewältigt.

Diese Mis­chung aus Intri­gen und Lieb­schaften, Sport, auch etwas Dop­ing (in der deutschen Mannschaft, mit Kokain und ähn­lichem), die Verbindung von Helden­tum und pro­sais­chem Überlebens-“Kampf”, das alles ergibt ein sehr, sehr buntes Tableau men­schlich­er Fähigkeit­en und Hand­lun­gen, die McNab geschickt miteinan­der verknüpft und in die große Rahmen­erzäh­lung, den langsam fortschre­i­t­en­den Lauf quer durch Ameri­ka, ein­bet­tet. Das klingt schon hier viel, und es ist auch viel. McNab hat das aber gut im Griff, seine Gestal­tung ist sehr abwech­slun­gre­ich, seine Phan­tasie ermöglicht ihm lebendi­ge Schilderun­gen der Szener­ie und der Geschehnisse, sein Stil ist halb­wegs ele­gant und flüs­sig zu lesen (auch wenn einige Härten drin ste­hen­bleibn, die teil­weise aber auch nach Über­set­zung­sprob­le­men ausse­hen). Und beim Lesen ver­gisst man dann gerne, dass das kom­plett fik­tiv ist. Der Roman gibt sich aber auch sehr geschickt (auch mit der “Nachbe­merkung”, die die weit­eren Kar­ri­eren der Haupt­fig­uren auflis­tet) den Anschein his­torisch­er Real­ität. Immer­hin gab es 1928 ja auch so etwas ähn­lich­es, das “Bunion Der­by”, von Charles C. Pyle auf der sel­ben Route aus­gerichtet — allerd­ings mit der real­is­tis­cheren Zahl von 275 Startern und lediglich 55 Fin­ish­ern.1

Tom McNab: Trans-Ameri­ka. Berlin: Auf­bau Taschen­buch 2010 (Auf­bau 2008). 551 Seit­en. ISBN 978–3‑7466–2584‑3.

  1. Einen knap­pen Aufriss der Geschichte dieses Laufes gibt es bei runningtimes.com: klick.

Durch die Wand — laufend

“Run­ning throug the wall” ist eine Samm­lung der Lauf-“Geschichten” einiger Ultra­läufer Amerikas, ihrer beson­ders prä­gen­den Erleb­nisse auf der Langstrecke und teil­weise auch ihrer Lauf­bi­ogra­phie: “I found out that if you spend enough time run­ning in the woods with an ultra­run­ner, you will hear a great ultra­run­ning sory. It’s inevitable.” (12) begrün­det der Her­aus­ge­ber sein Unternehmen. Meis­tens sind das kurze Texte, wenige Seit­en lang und bis auf einige Aus­nah­men auch ganz nett und flüs­sig zu lesen. Die Namen der hier Beteiligten sagen mir (naturgemäß, möchte ich sagen — ich kenne ja noch nicht mal viele deutsche Ultra­läufer-Namen) wenig bis gar nichts.

“Run­ning through the wall” ist dabei von sein­er Idee und Konzep­tion ein typ­is­ches Ultra-Buch, kön­nte man sagen: Geschicht­en von Läufern zum Anfix­en neuer Läufer. Immer getreu der alten Devise: Am meis­ten lernt man für Ultras von anderen Ultras, von Erfahrungs­bericht­en, von Laufgeschicht­en, von ersten Malen und beson­deren Erlebenis­sen auf der Strecke, von leicht­en und schw­eren Läufen, von abse­hbaren und erwarteten Prob­le­men. Für mich etwa immer wieder erstaunlich ist, wie viele bei ihren “Wet­tkämpfen” schon früh, d.h. nicht erst nach 80 oder 100 Kilo­me­tern, Prob­leme mit Blasen bekom­men … Und wie viele Hin­dernisse, persönliche/psychologische oder kör­per­liche, von den Läufern über­wun­den wer­den, für wie viele Laufen und die Ultras mehr als ein Sport, mehr als eine Freizeitbeschäf­ti­gung ist, son­dern — und das ist vielle­icht (aber nur vielle­icht) bei amerikanis­chen Läufern stärk­er aus­geprägt als bei deutschen — für wie viele mit dem Laufen Heilser­wartun­gen und Heilser­leb­nisse ganz eng ver­bun­den sind. Das hat mich etwas über­rascht.

Natür­lich gibt es auch hier ein­fach ver­rück­te Spin­ner, etwa die bei­den Bezwinger des Barkley-Laufes — ein Lauf, der darauf angelegt ist, nicht lauf­bar zu sein, zumin­d­est nicht in der vollen Länge — das über­steigt dann doch meinen Hor­i­zont: Warum sollte ich einen Lauf begin­nen (noch dazu mit mehreren Run­den), der expliz­it und über­haupt nicht gelaufen wer­den will? Die starke Extrem­isierung des Laufens hier hängt natür­lich auch damit ab, dass das alles (?) Amerikan­er sind, die nicht “nur” 100 Kilo­me­ter, son­dern gle­ich 100 Meilen laufen “müssen” (eine Strecke, die ja in Deutsch­land auch ger­ade in Mode kommt — für die ganz Harten …) — das ist schon noch ein­mal eine andere Haus­num­mer. Und 50er (egal ob Kilo­me­ter oder Meilen) spie­len hier nur eine erstaunlich geringe Rolle, sie kom­men sozusagen nur als Ein­stiegs­droge oder Train­ingslauf vor. Immer wieder wird genau das auch betont: Die “Härte” — des Laufes und sein­er Bezwinger. Es geht, so scheint es in der Zusam­men­schau, nicht immer und nicht so sehr um das Laufen oder gar den Genuss dessen, son­dern um das Über­winden von Härten, das Über-sich-selb­st-Hin­aus­ge­hen, die beson­dere, außergewöhn­liche Härte (!) der Trails, der Strecke, des Kurs­es mit ein­er manch­mal dur­chaus masochis­tisch erscheinen­den Lust an der beson­deren Qual der beson­ders lan­gen Strecke in beson­ders unwegsamen Gelände … Da wird dann auch auf­fäl­lig (zumin­d­est für mich) oft der Gebrauch von Medika­menten während des Laufes/Wettkampfes in Kauf genom­men.

Wie bei jedem echt­en Ultra­läufer­buch spie­len natür­lich auch die Mitläufer, die Ultra­szene eine gewisse Rolle. Und wie eigentlich immer ist es auch hier die Fre­undlichkeit der “Ultra­ge­meinde”, die immer wieder betont wird: Wet­tkampf, auch Konkur­renz ja, aber mit Lächeln und gegen­seit­iger Unter­stützung (zumin­d­est ein biss­chen, so lange es nicht um den Sieg geht …).

Let­z­tendlich war mir das als Buch aber ein wenig zu viel: Die Rei­hung von 39 Tex­ten zeigt, wie sehr sich viele Läufer­bi­ogra­phien ähneln kön­nen — und das Erleben der 100-Meil­er auch (einem guten Start fol­gen Schmerz und Müdigkeit, die Gedanken ans Aufgeben, die vom Willen zum Durch­hal­ten über­wun­den wer­den und schließlich das Fin­ish als Antik­li­max …) — wie gle­ich das Erleb­nis (Ultra-)Laufen für die aller­meis­ten Beteiligten sich darstellt. Gefehlt haben mir im Buch vor allem ein paar mehr Infor­ma­tio­nen über die Läufe selb­st — die kenne ich ja alle nicht per­sön­lich (von eini­gen hat­te ich immer­hin schon mal gehört), so dass ein paar Basis­in­for­ma­tio­nen mir da dur­chaus weit­er geholfen hät­ten. Und den Amerikan­ern sicher­lich auch, schließlich soll das ja ein Buch sein, dass sich nicht auss­chließlich an Ultra­läufer richtet.

Und jet­zt zum Schluss noch ein paar fast willkür­liche Zitate, die ich oben nicht unterge­bracht habe:

“ ‘What do you do with your mind when you’re run­ning a hun­dred mile?’ With­out hes­i­ta­tion, I replied, ‘Ignore it.’ ” (20)
“So many times you want to give up, but you can­not. That’s what ultra­run­ning is all about. That’s what life is all about.” (131)
“Ultras are more of a com­pe­ti­tion between me, myself, the course, and the dis­tance. Ultra­run­ning pits my mind against my body.” (167)
“I think ultra­run­ners must have a very poor mem­o­ry or no one would ever do anto­her race. You tend to for­get the pain and mis­ery and only remem­ber the thrill of accom­plish­ment.” (195) — das stimmt freilich: “Schmerz verge­ht, Stolz bleibt” heißt es in Deutsch­land.

Neal Jami­son (Hrsg.): Run­ning Through the Wall: Per­son­al Encoun­ters with the Ultra­ma­rathon. Hal­cottsville, NY: Break­away Books 2003. 288 Seit­en. ISBN 978–1‑89136937–7 (inzwis­chen schon in der 10. Auflage).

Projekt Minotaurus und andere Verrücktheiten

Die ersten 120 Seit­en dieses Büch­leins sind, ehrlich gesagt, ziem­lich­er Müll. Nicht nur orthographisch und gram­ma­tisch eine Katas­tro­phe, son­dern auch inhaltlich völ­lig unaus­ge­gorenes, undurch­dacht­es Gelaber.
Schlimm aufgestoßen sind mir vor allem die kru­den Vorstel­lun­gen des Autors zum Zusam­men­hang von Laufen und Gesellschaft — immer­hin legt er Wert darauf, als pro­moviert­er Poli­tik­wis­senschaftler anerkan­nt zu wer­den. Und dann schreibt er ständig von den bösen “Laufgu­rus”, die die arme Bevölkerung ver­führen. Und von einem “man”, dass alle Men­schen zum Laufen ani­mieren will (und, das ist beson­ders köstlich, dann extreme Pro­jek­te wie Pam­mingers Griechen­land-Läufe nicht mon­etär bezuschussen will — sehr selt­sames Gesellschaftsver­ständ­nis, das da durch­scheint …). Mit der Tat­sache, dass Laufen zum “Massen­sport” gewor­den ist, scheint er aber sowieso ein Prob­lem zu haben. Nicht nur hier betont er ja auch gerne, wie indi­vidu­ell er (im Gegen­satz zu den anderen Her­den­tieren) sei. Nun ja … Oder sein selt­sames Geschwurbel zum Ver­hält­nis von Laufen und Reli­gion — ein­er­seits legt er wieder­holt Wert auf seinen Sta­tus als gläu­bi­gen Athe­is­ten, ander­er­seits schreibt er immer wieder von der Ehrfurch vorm Schöpfer und solchem formel­haften Gesülze.
Und was schreibt er zum Laufen? Der erste Teil ist, wie gesagt, reich­lich krude. Evo­lu­tionär sei Laufen zum Beispiel als Fluchtre­flex bes­timmt — Biolo­gen (Hein­rich z.B.) sehen den Men­schen in sein­er Frühgeschichte eher als jagen­den denn fliehen­den Läufer.
Daneben nervte mich vor allem: Die ständi­ge Beto­nung und Her­vorhe­bung, wie beson­ders sein Pro­jekt doch sei. Das mag ja sein (und ist es auch), mich stört so etwas aber ein­fach trotz­dem immer sehr. Im zweit­en Teil wird es nicht wirk­lich bess­er. Die Lauf­berichte sind erstaunlich unde­tailiert und gle­ich­för­mig, aber auch aus­re­ichend prä­ten­tiös. Kurz gesagt: Das Laufen kommt mir ein­fach zu kurz. Anek­doten über die bösen, ver­schlagnen griechis­chen Portiers, die sein Team über die Ohren hauen wollen, sind für mich auch nicht wirk­lich span­nend. Also, alles in allem, ein für mich aus­ge­sprochen unlustiges Buch.

Har­ald Pam­minger, Alfred Ober­mayr: Oxi nein oder Wie ich zum ‘Kre­ta-Läufer’ wurde. Das etwas andere Lauf­buch. Wien: Books on Demand 2002. 327 Seit­en. ISBN 3–8311-432–1.

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